Depres­sio­nen: Krank­heit oder Symptom?

Depression: Krankheit oder Symptom

Wie Ent­zün­dun­gen, Umwelt­gif­te, Stö­run­gen der Ver­dau­ung und des Immun­sys­tems, Nah­rungs­mit­tel und Nähr­stoff­man­gel den Gehirn­stoff­wech­sel beeinflussen

Im Zusam­men­spiel der wich­tigs­ten chro­ni­schen Zivi­li­sa­ti­ons­er­kran­kun­gen spielt die Depres­si­on eine ganz ent­schei­den­de Rol­le. Jün­ge­re For­schun­gen haben gezeigt, dass Depres­sio­nen ein signi­fi­kan­ter und unab­hän­gi­ger Risi­ko­fak­tor für Dia­be­tes und Herz-Kreis­lauf-Erkran­kun­gen sind (18). Die­se neh­men bei uns den trau­ri­gen Spit­zen­platz als Todes­ur­sa­che Nr. 1 noch vor den Krebs­er­kran­kun­gen ein. Im Hin­blick auf die Herz­krank­hei­ten sind Depres­sio­nen ein grö­ße­rer Risi­ko­fak­tor als Rau­chen (21).

In unse­rer Beschleu­ni­gungs­ge­sell­schaft gera­ten immer mehr Men­schen an die Gren­zen ihrer kör­per­li­chen und psy­chi­schen Leis­tungs­fä­hig­keit. Wir beob­ach­ten eine star­ke Zunah­me von Depres­sio­nen, All­er­gien und auch neu­ro­de­ge­nera­ti­ven Erkran­kun­gen wie Par­kin­son, Alz­hei­mer und MS. Das Trom­mel­feu­er der Dau­er­kom­mu­ni­ka­ti­on (Com­pu­ter, Tele­fon, E‑mail) stört die Gehirn­bio­che­mie in unge­ahn­ter Wei­se. Hin­zu kommt der Drang zur Erleb­nis­ma­xi­mie­rung. Anstel­le die Pau­sen und Urlau­be für Lang­sam­keit und Muße zu nut­zen, wählt der moder­ne Mensch Frei­zeit­ak­ti­vi­tä­ten und Hob­bys, die wie­der­um den Stress­hor­mon­spie­gel in die Höhe trei­ben. Kei­ne Atempause.

Nichts­tun, der nicht zweck­ori­en­tier­te Müßig­gang, gilt als unpro­duk­tiv und öde, schreibt Ulrich Schna­bel in der ZEIT (16). Was nach ver­schwen­de­ri­schem Luxus klin­ge, betrach­te­ten Hirn­for­scher als Zustand, der zur Rege­ne­ra­ti­on und für die geis­ti­ge Sta­bi­li­tät drin­gend benö­tigt werde.

Obwohl Anti-Stress-Pro­gram­me selbst­ver­ständ­lich ein wich­ti­ger Bestand­teil mei­nes the­ra­peu­ti­schen Kon­zep­tes sind, möch­te ich hier vor­ran­gig umwelt­me­di­zi­ni­sche Aspek­te der Depres­si­on vertiefen.

Ein­lei­tung

Ner­ven- und Gehirn­er­kran­kun­gen sind zur Epi­de­mie gewor­den: welt­weit sei­en 1 Mil­li­ar­de Men­schen betrof­fen, schreibt Mark Hymann im Janu­ar 2009 (1,2). Die Zahl der Alz­hei­mer-Erkrank­ten wird in den nächs­ten Jah­ren um 300 % anstei­gen. Zehn Pro­zent der Kin­der neh­men regel­mä­ßig Arz­nei­mit­tel gegen Hyper­ak­ti­vi­tät und Kon­zen­tra­ti­ons­stö­run­gen (ADHS) und 10 % der Erwach­se­nen neh­men Medi­ka­men­te gegen Depres­sio­nen. In den USA und Kana­da sind Gehirn­er­kran­kun­gen in der Alters­grup­pe von 15 – 44 der häu­figs­te Krank­heits­grund. Bei einem von vier Erwach­se­nen, geschätz­te 26,2 % der Ame­ri­ka­ner über 18 Jah­ren (57,7 Mil­lio­nen), wird pro Jahr eine men­ta­le Erkran­kung dia­gnos­ti­ziert. Einer von sie­ben (ca. 6 %) lei­den an einer schwe­ren men­ta­len Erkran­kung (1, 3). Psy­cho­phar­ma­ka wer­den auf Platz 2 der Ver­kaufs­lis­te der Phar­ma­in­dus­trie gelangen.

Die Hirn­for­schung ist seit Jahr­zehn­ten an dem Dog­ma fixiert, dass bei Depres­sio­nen und ande­ren Erkran­kun­gen des Ner­ven­sys­tems eine Stö­rung des Gleich­ge­wich­tes von Boten­stof­fen im Gehirn (Neu­ro­trans­mit­tern) wie Sero­to­nin, Dopa­min und Nor­ad­re­na­lin zugrun­de liegt – und in die­ses sen­si­ble bio­che­mi­sche Gefü­ge grei­fen die Psy­cho­phar­ma­ka (z.B. Anti­de­pres­si­va) ein. Ohne den Stel­len­wert die­ser – zum Teil segens­rei­chen Sub­stan­zen – zu schmä­lern, soll­ten mei­nes Erach­tens vor deren Ein­satz umwelt­me­di­zi­ni­sche Aspek­te beach­tet und Vit­amin­de­fi­zi­te aus­ge­schlos­sen wer­den, zumal ohne­hin nur 30 % der depres­si­ven Pati­en­ten dau­er­haft von einer medi­ka­men­tö­sen The­ra­pie mit Anti­de­pres­si­va pro­fi­tie­ren (21).

Man darf nicht ver­ges­sen, dass Fol­säu­re der begren­zen­de Fak­tor beim Auf­bau der Neu­ro­trans­mit­ter Dopa­min und Sero­to­nin ist. Die für den Auf­bau die­ser Boten­stof­fe benö­tig­ten Enzy­me Tyro­sin- und Tryp­top­han-Hydro­xyla­se benö­ti­gen Fol­säu­re. Glei­ches gilt für die Bil­dung von Kat­echo­lami­nen wie Nor­ad­re­na­lin und Dopa­min (20). Ein Fol­säu­re­man­gel ist daher mit Depres­sio­nen asso­zi­iert und führt dar­über hin­aus zu einer schlech­te­ren Wir­kung von Antidepressiva.
Die Rol­le von Nähr­stoff­man­gel, Ent­zün­dun­gen, All­er­gien und Umwelt­gif­ten bei Depres­si­on wur­de bis­lang zu wenig berück­sich­tigt. Auf dem 16. Inter­na­tio­na­len Sym­po­si­um des Insti­tuts for Func­tion­al Medi­ci­ne in Hollywood/Florida im Mai 2009 wur­den im Hin­blick auf Depres­sio­nen neue Erkennt­nis­se dis­ku­tiert, die in den kom­men­den Jah­ren zu einem Para­dig­men­wech­sel in der Medi­zin füh­ren dürf­ten. Die in den USA ent­wi­ckel­ten moder­nen Labor­ana­ly­sen bezüg­lich des Hirn­stoff­wech­sels, der Darm­öko­lo­gie sowie der zel­lu­lä­ren Ver­sor­gung mit Nähr­stof­fen ste­hen nun auch in Deutsch­land zur Verfügung.
Neben Ver­dau­ungs­stö­run­gen und einer mikro­bio­lo­gi­schen Fehl­be­sie­de­lung des Dar­mes müs­sen auch Nah­rungs­mit­tel­un­ver­träg­lich­kei­ten als Ursa­che von Ent­zün­dungs­re­ak­tio­nen in Betracht gezo­gen wer­den, die sich auf das Gehirn aus­wir­ken. Lan­ge schon ist bekannt, dass Zusatz­stof­fe in Lebens­mit­teln, aber auch Getrei­de- und Milch­pro­duk­te zu Stö­run­gen des Gehirn­stoff­wech­sels und zur Aggres­si­vi­tät, Hyper­ak­ti­vi­tät (ADHS), Depres­sio­nen und sogar Schi­zo­phre­nie füh­ren kön­nen. Pep­tid­ana­ly­sen im Urin kön­nen der­ar­ti­ge Zusam­men­hän­ge aufdecken.

Gehirn-Bio­che­mie: Signal­über­tra­gung in der Neuropsychiatrie

Täg­lich emp­fängt unser Orga­nis­mus in sei­ner Wech­sel­wir­kung zwi­schen Umwelt und Indi­vi­du­um phy­si­ka­li­sche, che­mi­sche und bio­lo­gi­sche Signa­le. Signal­über­tra­gung bedeu­tet die Über­tra­gung von exter­nen Rei­zen in mole­ku­la­re Ant­wor­ten. Dies geschieht ins­be­son­de­re an den End­knöpf­chen der Ner­ven­bah­nen, den Syn­ap­sen. Die­se bestehen aus zwei gegen­über­lie­gen­den Knöpf­chen. Die End­knöpf­chen an den Ner­ven­fa­sern wer­den auch als prä­syn­ap­ti­scher Bereich bezeich­net. Hier sind Boten­stof­fe (Neu­ro­trans­mit­ter) wie Nor­ad­re­na­lin, Dopa­min, Sero­to­nin gespei­chert. Die­se Boten­stof­fe sol­len, nach­dem ein Signal über die Ner­ven­bah­nen her­ein­kommt, aus­ge­schüt­tet wer­den und am benach­bar­ten Knöpf­chen, dem post­syn­ap­ti­schen Bereich, nach dem Schlüs­sel-Schloß-Prin­zip ando­cken und hier­durch wei­te­re – oft auch lebens- bzw. über­le­bens­wich­ti­ge – Reak­tio­nen bewirken.

Der initia­le Schritt der Signal­über­tra­gung in die­ser bio­che­mi­schen Kas­ka­de ist also die Bin­dung der Neu­ro­trans­mit­ter, am post­syn­ap­ti­schen Rezep­tor . Beein­träch­ti­gun­gen die­ser che­mi­schen Signal­über­tra­gung füh­ren zu Stö­run­gen der Gehirn-Bio­che­mie und ver­ur­sa­chen zahl­rei­che Erkran­kun­gen. Zum bes­se­ren Ver­ständ­nis die­ser kom­pli­zier­ten Vor­gän­ge müs­sen wir uns zunächst den che­mi­schen Auf­bau der Rezep­to­ren anse­hen. Die Rezep­to­ren bestehen aus Fett-Eiweiß-Ver­bin­dun­gen, den Lipo­pro­te­inen. Die­se umhül­len die Zell­struk­tu­ren in Form einer Lipid-Dop­pel­mem­bran. Die­se Mem­bran­li­pi­de stel­len 50 % der Gehirn­mas­se dar.

Von den Mem­bran­li­pi­den stel­len die Phos­pho­li­pi­de die ele­men­tars­ten Bau­stei­ne dar:

  • Phos­pha­ti­dyl­cho­lin,
  • Phos­pha­ti­dyl­se­rin,
  • Phos­pha­ti­dy­li­no­si­tol,
  • Phos­pha­ti­dyl­etha­nol­amin.

Ent­zün­dun­gen und Umwelt­gif­te kön­nen oxi­da­tiv­en Stress und somit eine Lipidper­oxi­da­ti­on ver­ur­sa­chen. Hier­bei wer­den Mem­bran­struk­tu­ren zer­stört – die Mem­bran­fet­te wer­den sozu­sa­gen ran­zig und die Zel­le altert schnel­ler. Wenn nun die für die Signal­über­tra­gung wich­ti­gen Schlüs­sel-Schloss-Regio­nen, die Rezep­to­ren, „ran­zig“ und in ihrer räum­li­chen Struk­tur defor­miert wer­den, kön­nen die aus dem prä­syn­ap­ti­schen Bereich aus­ge­schüt­te­ten Boten­stof­fe nicht mehr an den „Schlös­sern“ ando­cken. Die Signal­über­tra­gung ist unter­bro­chen und Hirn­funk­tio­nen wer­den gestört.

Moder­ne umwelt­me­di­zi­ni­sche Ana­ly­se­me­tho­den ermit­teln alle jene Fak­to­ren, die oxi­da­tiv­en Stress bzw. Lipidper­oxi­da­tio­nen ver­ur­sa­chen und wel­che Anti­oxi­dan­ti­en, natür­li­che Fett­säu­ren, Mine­ral­stof­fe und Vit­ami­ne an die­sen zen­tra­len Wirk­prin­zi­pi­en regu­lie­rend und somit hei­lend eingreifen.

Eine wich­ti­ge anti­ent­zünd­li­che Wir­kung an den Mem­bran­re­zep­to­ren ent­fal­ten die Ome­ga-3-Fett­säu­ren aus Fisch­öl. Eine ran­do­mi­sier­te Dop­pel­blind­stu­die an 35 ambu­lan­ten Pati­en­ten mit Depres­sio­nen zeig­te eine gute Wir­kung eines Ome­ga-3-Fisch­öl Bestand­tei­les, der Doco­sa­he­xa­en­säu­re (DHA) (2).

Durch den Ver­zehr gro­ßer Men­gen an tie­ri­schen Fet­ten mit einem hohen Anteil an Arach­idon­säu­re (z. B. Schwei­ne­schmalz) kommt es zu einer Hoch­re­gu­la­ti­on von Ent­zün­dun­gen und somit zu einem ver­stärk­ten Depres­si­ons­ri­si­ko. Arach­idon­säu­re kann direkt neu­ro­to­xisch wir­ken. Als natür­li­cher Gegen­spie­ler zur Arach­idon­säu­re kom­men Fisch­öle mit einem hohen Anteil an Ome­ga-3-Fett­säu­ren in Betracht. Die­se redu­zie­ren die mit einer Depres­si­on asso­zi­ier­ten ent­zün­dungs­för­dern­den Inter­leu­ki­ne 1 und 6 und erhö­hen die Bin­dungs­ka­pa­zi­tät von Dopa­min- und Sero­to­nin­re­zep­to­ren. Da DHA auch beim Auf­bau der Glia­zel­len im Gehirn betei­ligt ist, gilt es als hilf­rei­che „Repa­ra­tur- und Wachs­tums­sub­stanz“ für das Gehirn. DHA akti­viert den BDNF (Brain-Deri­ved-Ner­ve-Growth-Fac­tor) und ist auch an der mito­chon­dria­len Kom­mu­ni­ka­ti­on beteiligt.

Ent­zün­dun­gen ver­ur­sa­chen Depressionen

Vie­le Krank­hei­ten gehen ein­her mit ent­zünd­li­chen Reak­tio­nen, die wie­der­um ande­re Orga­ne des Orga­nis­mus, auch das Gehirn, beein­träch­ti­gen kön­nen. Dies kommt durch zir­ku­lie­ren­de Ent­zün­dungs­me­dia­to­ren zustan­de, die über den Blut­kreis­lauf an alle Orga­ne trans­por­tiert wer­den und dort zu Schä­di­gun­gen füh­ren kön­nen. Man nennt die­se Vor­gän­ge auch Kom­or­bi­di­tä­ten oder Begleit­krank­hei­ten. Die Schup­pen­flech­te (Pso­ria­sis) wird als Haut­krank­heit ein­ge­stuft, weil sie offen­sicht­lich pri­mär die Haut­struk­tur zer­stört. Bei nähe­rer Betrach­tung der Begleit­sym­pto­me wird deut­lich, dass es zukünf­tig immer schwie­ri­ger wer­den dürf­te, chro­ni­sche Krank­hei­ten in eine „Schub­la­de“ (hier nach ICD-Code eine Haut­krank­heit) ein­zu­ord­nen. Zu den Kom­or­bi­di­tä­ten bei der Schup­pen­flech­te zäh­len auch Gelenk­ent­zün­dun­gen, eine erhöh­te Herz­in­farkt­ra­te und auch Depres­sio­nen (5).

Als Haupt­ur­sa­che für die­se Haut­krank­heit mit den genann­ten Begleit­erkran­kun­gen kann die Ent­zün­dung gese­hen wer­den. Bei einer Ent­zün­dung signa­li­siert das Immun­sys­tem durch die Frei­set­zung von bestimm­ten Signal­stof­fen dem Gehirn, dass „Krieg“ abläuft. Die­se Signal­stof­fe wer­den Zyto­ki­ne genannt. Bei einem grip­pa­len Infekt wer­den auch Zyto­ki­ne frei­ge­setzt. Nicht das Fie­ber ist die Ursa­che des Krank­heits­ge­fühls, son­dern die Zyto­kin­pro­duk­ti­on. Zyto­ki­ne kön­nen wie Hor­mo­ne Gehirn­funk­tio­nen akti­vie­ren – sie über­win­den die Blut-Hirn-Schran­ke. Die „Stress-Ant­wort“ des Gehirns ist: Fie­ber, Krank­heits­ge­fühl, Müdig­keit, Schlaf. Bei Pati­en­ten mit Schup­pen­flech­te, die Medi­ka­men­te bekom­men, die das Immun­sys­tem unter­drü­cken, ver­min­dern sich die Depres­sio­nen (6).

Über­ge­wicht ver­ur­sacht Entzündungen

Bei Über­ge­wicht bzw. Fett­sucht stei­gen im Blut Ent­zün­dungs­pa­ra­me­ter an. Über­ge­wicht kann daher als sys­te­mi­sche Ent­zün­dung betrach­tet wer­den, die auch das Risi­ko für Depres­sio­nen erhöht. Im Juni 2009 berich­tet die medi­zi­ni­sche Fach­zeit­schrift „MMW-Fort­schrit­te der Medi­zin“, dass schon bei über­ge­wich­ti­gen Kin­dern eine deut­li­che Erhö­hung von „pro­in­flamm­a­to­ri­schen und pro­throm­bo­ti­schen Mar­kern“ wie Zyto­ki­ne (Inter­leu­kin 6), CRP und Fibri­o­no­gen fest­zu­stel­len ist. Somit dro­he in den nächs­ten Jah­ren eine dra­ma­ti­sche Zunah­me von Herz-Kreis­lauf-Erkran­kun­gen (14) und – aus den o. g. Grün­den – auch eine dra­ma­ti­sche Zunah­me bei den Ner­ven- und Gehirn­er­kran­kun­gen, wie Depressionen.

Die Ärz­te Zei­tung berich­tet im April 2011 über For­schungs­er­geb­nis­se der Uni­ver­si­tät Leip­zig, dass Fett­lei­big­keit (Body Mass Index über 30) offen­bar mit einer mess­ba­ren Ver­rin­ge­rung des Gehirn­vo­lu­mens asso­zi­iert sei (15).

Glia­zel­len an Gehirn-Ent­zün­dun­gen beteiligt

Im Gehirn gibt es ganz beson­de­re Zel­len, die Glia­zel­len, die lan­ge Zeit ledig­lich als pas­si­ve Stütz­zel­len der eigent­li­chen Ner­ven­zel­len (Neu­ro­nen) betrach­tet wor­den sind (6). Glia kann man als Kle­be­mas­se über­set­zen. In den letz­ten Jah­ren sind immer mehr span­nen­de Ein­zel­hei­ten zu den Glia­zel­len bekannt gewor­den, die zei­gen, dass Glia­zel­len weit mehr Funk­tio­nen haben als nur zu „stüt­zen“. Es han­delt sich hier­bei um die Immun­zel­len des Gehirns. Da sie die Ner­ven­fort­sät­ze und Blut­ge­fä­ße im Gehirn umman­teln, sind sie bekannt unter dem Begriff „Blut-Hirn-Schran­ke“. Sie schüt­zen das Gehirn vor dem Ein­strom von aggres­si­ven Sub­stan­zen, die im Blut­kreis­lauf zir­ku­lie­ren. Sie sind betei­ligt an Ent­gif­tungs­vor­gän­gen und auch an der Rege­ne­ra­ti­on der Neu­ro­nen. Und das Span­nen­de ist, dass sie mit den Immun­zel­len des Dar­mes asso­zi­iert sind. Wenn also im Darm Ent­zün­dungs­pro­zes­se durch All­er­gien, Bak­te­ri­en oder Pil­ze aus­ge­löst wor­den sind, gelan­gen Ent­zün­dungs­me­dia­to­ren oder Zyto­ki­ne (z. B. Inter­leu­kin 6, Inter­fe­ron) über den Blut­kreis­lauf in das Gehirn, wo sie die Glia­zel­len akti­vie­ren. Hier­durch kommt es zu Schä­di­gun­gen der Ner­ven­zel­len mit der Fol­ge von Depres­sio­nen und ande­re Stö­run­gen der Gehirn­funk­tio­nen. Akti­vier­te Glia­zel­len kön­nen in Ein­zel­fäl­len noch über zehn Mona­te eben­falls Ent­zün­dungs­me­dia­to­ren in die Umge­bung abge­ben und loka­le – aber auch sys­te­mi­sche – Ent­zün­dun­gen unterhalten.

Auch Medi­ka­men­te mit immun­sti­mu­lie­ren­der Wir­kung kön­nen über eine Akti­vie­rung der Glia­zel­len Depres­sio­nen aus­lö­sen. Pati­en­ten mit Hepa­ti­tis oder Mul­ti­pler Skle­ro­se, die mit Ent­zün­dungs­me­dia­to­ren wie z. B. Inter­fe­ron behan­delt wer­den, ent­wi­ckeln häu­fig Depressionen.

Die­se Erkennt­nis­se füh­ren zu der Über­le­gung, dass bei allen Gehirn­er­kran­kun­gen nach ent­zünd­li­chen Ursa­chen bzw. Krank­heits­pro­zes­sen – u. a. im Darm – gefahn­det wer­den muß.
Eine Stuhl- und Ver­dau­ungs­ana­ly­se sowie der Aus­schluss von Nah­rungs­mit­tel­un­ver­träg­lich­kei­ten soll­ten daher zum Rou­ti­ne­un­ter­su­chungs­pro­fil gehören.

Depres­sio­nen durch Stress und Schlafstörungen

Stress ist eine nicht­spe­zi­fi­sche Ant­wort auf alle Rei­ze, mit denen sich unser Orga­nis­mus aus­ein­an­der­set­zen muß. Wenn Tech­ni­ken zur Ver­ar­bei­tung von Stress (Stress-Respon­se) ver­lo­ren gegan­gen sind, kön­nen Depres­sio­nen ent­ste­hen. Stress akti­viert Cor­ti­sol, wel­ches wie­der­um zu einer Immun­sup­pres­si­on führt. Auf die bekann­ten psy­cho­the­ra­peu­ti­schen und phar­ma­ko­lo­gi­schen The­ra­pie­ver­fah­ren soll an die­ser Stel­le nicht ein­ge­gan­gen wer­den. Ich möch­te in der Tabel­le 2 eini­ge patho­phy­sio­lo­gi­schen Aus­wir­kun­gen von nicht ver­ar­bei­te­tem Stress hinweisen.

Zu wenig Schlaf macht dick, dumm und krank“ schreibt Bar­ba­ra Dreis­sen am 21. Novem­ber 2009 in der Tages­zei­tung DIE WELT: „Frau­en erkran­ken häu­fi­ger als Män­ner an Depres­sio­nen und den Fol­gen von sozia­lem Stress, was häu­fig mit Schlaf­pro­ble­men ein­her­geht.“ (11) Sie­ben Stun­den Schlaf sind opti­mal – weni­ger Schlaf ist schäd­lich. Obwohl Depres­sio­nen bei Frau­en offen­bar häu­fi­ger vor­kom­men, ist die Selbst­mord­ra­te bei Män­nern drei­mal höher als bei Frau­en. In Bezug auf den Sui­zid des Natio­nal­tor­warts Robert Enke schreibt Frau Dr. Möl­ler-Leim­küh­ler zum The­ma „Depres­sio­nen beim Mann“ in der medi­zi­ni­schen Fach­zeit­schrift MMW: „Er jam­mert nicht, aber er bringt sich um.“ Depres­sio­nen kön­nen sich bei Män­nern anders als mit den klas­sisch „weib­li­chen“ Sym­pto­men wie Trau­rig­keit oder Antriebs­min­de­rung äußern. Sie kön­nen durch exter­na­li­sie­ren­de Stress­ver­ar­bei­tungs­mus­ter mas­kiert oder kom­pen­siert wer­den. Hier­zu gehö­ren: Aggres­si­vi­tät, Ärger­at­ta­cken, erhöh­te Reiz­bar­keit, anti­so­zia­les und/oder süch­ti­ges Ver­hal­ten (Alko­hol, Arbeit, Sport, Fern­se­hen, Inter­net, Sex …) und Risi­ko­ver­hal­ten, zum Bei­spiel im Stra­ßen­ver­kehr – was auch als „männ­li­che Depres­si­on“ bezeich­net wird.

Die­se Sym­pto­me sind nicht in den übli­chen Depres­si­ons­in­ven­ta­ri­en ent­hal­ten, so dass Män­ner ein grö­ße­res Risi­ko haben, durch das dia­gnos­ti­sche Ras­ter zu fal­len (13).
Tabel­le 2:

Wir­kung einer ver­stärk­ten Cor­tisol­frei­set­zung durch Stress (1):

  • ver­län­ger­te vira­le Infektionen.
  • ver­län­ger­te Wundheilung.
  • ver­min­dert Anti­kör­per­pro­duk­ti­on nach Impfungen.
  • Alte­rungs­pro­zes­se wer­den durch eine Ver­kür­zung der Telo­me­ren beschleu­nigt, d.h. schnel­le­re Chro­mo­so­men-Alte­rung (1,9), wäh­rend die Ände­rung des Life­styl­es im Sin­ne einer opti­mier­ten „Stress- Respon­se“ die Telo­me­ra­sen-Repair-Enzy­me verbessert.
  • Bei ver­min­der­ter Stress­be­wäl­ti­gung kommt es zu Ent­zün­dun­gen und Autoimmunerkrankungen:Arthritis,Thyreoiditis, SLE, Der­ma­ti­tis, Fibro­my­al­gie, Chro­ni­sches Erschöp­fungs­syn­drom (CFS).

Depres­sio­nen durch Licht­ver­schmut­zung und Melatoninmangel

Ein wich­ti­ger Stress­fak­tor ist die Licht­ver­schmut­zung unse­res Lebens- und Arbeits­be­reichs. Schon lan­ge war­nen Wis­sen­schaft­ler, dass zu viel Licht wäh­rend der Nacht die inne­re Uhr des Men­schen stört und uns krank macht. For­scher um Lau­ra Fon­ken von der Ohio Sta­te Uni­ver­si­ty haben gezeigt, dass kon­stan­te Hel­lig­keit bei Mäu­sen zu Anzei­chen von Depres­sio­nen führt. Mäu­se, mit der Mög­lich­keit, sich in dunk­le Röh­ren zu flüch­ten, lit­ten weni­ger oft an einer Stö­rung des Gemüts (12).

Mei­nen Pati­en­ten emp­feh­le ich, im Schlaf­zim­mer für abso­lu­te Dun­kel­heit zu sor­gen. Auch elek­tro­ni­sche Gerä­te, die z. B. mit blau­en, leuch­ten­den Lämp­chen aus­ge­stat­tet sind, soll­ten aus­ge­schal­tet wer­den. Lam­pen mit hohem Blau­an­teil wie die moder­nen Ener­gie­spar­leuch­ten gehö­ren nicht ins Schlaf­zim­mer. Schon ein kur­zes Ein­schal­ten einer Licht­quel­le in der Nacht kann die Mela­to­nin­pro­duk­ti­on in unse­rer Zir­bel­drü­se im Gehirn stop­pen und somit den Schlaf been­den. Die Fol­ge von Schlaf­stö­run­gen sind u.a. Depres­sio­nen und Stö­run­gen des Immunsystems.

Mei­nen Pati­en­ten mit Depres­sio­nen emp­feh­le ich daher, ein Mela­to­nin-Tages­pro­fil durch­zu­füh­ren. Hier­bei wer­den zwei Spei­chel­pro­ben am Tag und eine Pro­be in der Nacht gesam­melt und anschlie­ßend auf dem Post­weg zu uns geschickt. Abhän­gig von den Ergeb­nis­sen erfolgt eine indi­vi­du­el­le Dosie­rung von Mela­to­nin. Hier­bei soll­te es sich stets um natür­li­ches Mela­to­nin handeln.

Es gibt Mela­to­nin­prä­pa­ra­te, die Kunst­stof­fe wie Acry­la­te ent­hal­ten, um eine ver­zö­ger­te Frei­set­zung zu erzie­len. Daher rate ich, die Packungs­bei­la­ge zu über­prü­fen, ob Inhalts­stof­fe wie Methacry­lat oder Lak­to­se ent­hal­ten sind.

Vit­amin B12 Mangel

Vit­amin B12 ist wesent­lich betei­ligt an der Pro­li­fe­ra­ti­on (Wachs­tum), Rei­fung und Rege­ne­ra­ti­on von Ner­ven­zel­len. Per­so­nen mit nied­ri­gen Fol­säu­re- und Vit­amin-B12-Wer­ten haben ein erhöh­tes Risi­ko für Alters­de­pres­sio­nen (22). Im Alter ist ein Vit­amin-B12-Man­gel ver­brei­tet, obwohl er sel­ten dia­gnos­ti­ziert wird. Dies liegt dar­an, dass einer­seits typi­sche Sym­pto­me kom­plett feh­len kön­nen und der Arzt daher dies­be­züg­lich kei­nen Ver­dacht hat und ande­rer­seits, weil Vit­amin­be­stim­mun­gen nicht zu den Rou­ti­ne­un­ter­su­chun­gen in den Arzt­pra­xen zäh­len. Sie wer­den von den Kos­ten­trä­gern in der Regel als „nicht not­wen­di­ge medi­zi­ni­sche Leis­tun­gen“ ein­ge­stuft. Außer­dem sind Vit­amin­be­stim­mun­gen im Blut mit Aus­nah­me von Vit­amin D3 nicht aus­sa­ge­kräf­tig. Vit­amin-B12-Bestim­mun­gen im Serum sind laut Deut­schem Ärz­te­blatt (23) als „spä­ter, rela­tiv unsen­si­ti­ver und unspe­zi­fi­scher Bio­mar­ker des B‑12-Man­gels“ ein­zu­stu­fen. Erhöh­te Methyl­mal­on­säu­re bzw. Homo­cystein Wer­te sind Zei­chen für einen mani­fes­ten Vit­amin-B12-Man­gel, wobei kli­ni­sche Anzei­chen noch feh­len können.

Durch die Ein­nah­me von Fol­säu­re, Vit­amin B6 und Vit­amin B12 kön­nen sich die Homo­cystein-Wer­te nor­ma­li­sie­ren. Obwohl kei­ne beson­de­ren Früh­sym­pto­me auf­tre­ten, wirkt sich ein B12-Man­gel trotz­dem schon früh­zei­tig nega­tiv nicht nur auf das Ner­ven­sys­tem, son­dern auch auf den Kno­chen­stoff­wech­sel aus. Es kommt über eine Sti­mu­la­ti­on der Osteo­klas­ten zur Osteo­po­ro­se. Die durch einen B12-Man­gel ver­ur­sach­ten neu­ro­lo­gi­schen Schä­di­gun­gen füh­ren zu Stö­run­gen der Gedächt­nis­leis­tung, Gang­art, Vibra­ti­ons­wahr­neh­mung und Par­äs­the­sien (Miss­emp­fin­dun­gen). Die genann­ten Sym­pto­me kön­nen nach eini­gen Mona­ten durch die ora­le Ein­nah­me von täg­lich 1 – 2 mg Vit­amin B12 (sie­he auch Tabel­le 4) abklin­gen. Da es mitt­ler­wei­le B12-Prä­pa­ra­te auch als Lutsch­ta­blet­ten gibt, die gut von der Mund­schleim­haut resor­biert wer­den, sind Injek­tio­nen nicht unbe­dingt not­wen­dig. Wenn sich die Beschwer­den bes­sern, kann die Dosie­rung auf 1 x wöchent­lich und spä­ter auf 1 x monat­lich redu­ziert wer­den. Wie oben beschrie­ben führt auch ein Man­gel an Fol­säu­re zu Ner­ven­schä­di­gun­gen und Depres­sio­nen. Aus die­sem Grund ist eine Fol­säu­re­the­ra­pie bei Depres­sio­nen grund­sätz­lich in Erwä­gung zu zie­hen. Bei Pati­en­ten, die Medi­ka­men­te gegen Epi­lep­sie oder Par­kin­son (z. B: L‑Dopa) ein­neh­men, soll­te der Fol­säu­re­be­darf regel­mä­ßig über­prüft wer­den. In einer Publi­ka­ti­on vom Novem­ber 2009 wird die Ein­nah­me von Fol­säu­re auch zur Vor­beu­gung von Schlag­an­fäl­len als sinn­voll erach­tet (24).

Die Bestim­mung von Homo­cystein im Blut als Mar­ker für einen Man­gel an B 12, B 6 und Fol­säu­re darf bei der Unter­su­chung von Pati­en­ten mit Depres­sio­nen und ande­ren neu­ro­psych­ia­tri­schen Erkran­kun­gen nicht feh­len. Erhöh­te Homo­cystein­spie­gel min­dern die kogni­ti­ven Leis­tun­gen und sind mit einem deut­li­chen Anstieg von Demenz­er­kran­kun­gen und Depres­sio­nen assoziiert.

Magen­mit­tel“ kri­tisch betrachten

Ein wei­te­rer wich­ti­ger Grund für die Zunah­me des Vit­amin-B12- Man­gels ist der mas­sen­haf­te Ein­satz von „Magen­mit­teln“: Pro­to­nen­pum­pen­in­hi­bi­to­ren, H2-Blo­cker, Alu­mi­ni­um­ver­bin­dun­gen und die von alter­na­ti­ven The­ra­peu­ten ger­ne ver­wen­de­ten „Basen­pul­ver“ . Es han­delt sich hier­bei um Medi­ka­men­te, die Säu­re im Magen bin­den. Hier­durch wird nicht nur die B12-Auf­nah­me behin­dert (19), son­dern auch die Ver­dau­ungs­leis­tung (z.B. Pro­te­in­ver­dau­ung) der­ar­tig gestört, dass in der Fol­ge Nah­rungs­mit­tel­all­er­gien auf­tre­ten. Unver­dau­te Nah­rungs­mit­tel mit einem zum Teil zehn­tau­send­fa­chen All­er­gie­po­ten­zi­al gelan­gen in die unte­ren Darm­ab­schnit­te, wo sie zu all­er­gi­schen Reak­tio­nen und somit zu Ent­zün­dun­gen und folg­lich auch Depres­sio­nen füh­ren können.

Zum Auf­bau von Boten­stof­fen im Gehirn (Neu­ro­trans­mit­ter) benö­ti­gen wir Ami­no­säu­ren wie Tryp­top­han und Tyro­sin aber auch Magne­si­um, Fol­säu­re und Vit­amin B12. Schwer­me­tal­le wie Blei und Queck­sil­ber blo­ckie­ren die Vit­amin-B12-Ver­füg­bar­keit. Die Umwand­lung von „nor­ma­lem Vit­amin B12“ in das in der Zel­le benö­tig­te Methyl-B12 wird durch die­se Schwer­me­tal­le und ande­re Umwelt­gif­te gestört. Obwohl der im Blut gemes­se­ne Vit­amin-B12-Wert nor­mal oder viel­leicht sogar erhöht ist, kann in der Zel­le ein erhöh­ter Bedarf an Vit­amin B12 vor­lie­gen. Die übli­chen Blut­tests sind daher – wie oben erwähnt – nicht opti­mal, um einen erhöh­ten Vit­amin­be­darf auf­zu­de­cken. Bes­ser geeig­net sind moder­ne Uri­n­ana­ly­sen, die als nicht inva­si­ve Ver­fah­ren von den Pati­en­ten bevor­zugt wer­den (nähe­res sie­he Diagnostik-Kasten).

Die­ses Bei­spiel zeigt, dass Umwelt­gif­te zu Stö­run­gen im Vit­amin­haus­halt führen.

Dr. Mark Hyman beton­te in sei­nem Vor­trag auf dem Func­tion­al Medi­ci­ne Kon­gress in Flo­ri­da, dass toxi­sche Metal­le zu einer Ver­stär­kung von Ent­zün­dungs­vor­gän­gen bei­tra­gen (3). Aus die­sem Grund sind ent­spre­chen­de Urin‑, Haar- oder Blut­ana­ly­sen auf toxi­sche Metal­le und auch die Ver­sor­gung mit Mine­ral­stof­fen und Spu­ren­ele­men­ten bei depres­si­ven Pati­en­ten notwendig.

Wie Vit­amin E ist Vit­amin D ein fett­lös­li­ches Anti­oxi­dans und daher gut zur The­ra­pie neu­ro­lo­gi­schen Erkran­kun­gen geeig­net. Die anti­oxi­da­tive Kapa­zi­tät von Vit­amin D über­trifft die von Vit­amin E. Bei neu­ro­de­ge­nera­ti­ven Erkran­kun­gen wie Par­kin­son, Mul­ti­pler Skle­ro­se und ALS wur­den nied­ri­ge Vit­amin-D-Spie­gel gemes­sen. In einer japa­ni­schen Stu­die wur­den bei 80 % der Alz­hei­mer-Pati­en­ten ein mode­ra­ter bis schwe­rer Vit­amin-D-Man­gel fest­ge­stellt. Auch bei Depres­sio­nen kann die Ein­nah­me von Vit­amin D emp­foh­len werden.

Die Ein­nah­me von Vit­amin D kann in der Regel nicht zu Über­do­sie­run­gen füh­ren. Da der Kör­per dar­auf ein­ge­stellt ist, Vit­amin D zu spei­chern, kann er auch vor­über­ge­hend hohe Dosen ver­kraf­ten. Ich emp­feh­le erwach­se­nen Per­so­nen Dosie­run­gen zwi­schen 1.000 und 2.000 I.E. (Inter­na­tio­na­le Ein­hei­ten). In den Win­ter­mo­na­ten (Okto­ber bis April) kann die Tages­do­sis auf 5.000 I.E. erhöht werden.

Selbst­ver­ständ­lich soll­ten regel­mä­ßi­ge Blut­kon­trol­len zur Über­wa­chung des Vit­amin-D-Spie­gels (25-OH-Vit­amin D3)
erfol­gen (17).

Im Okto­ber 2009 berich­tet die ame­ri­ka­ni­sche Fach­zeit­schrift „Cli­ni­cal Psych­ia­try News“ in der Titel­ge­schich­te: „Mito­chon­dria Key in Mood Dis­or­ders“, dass bei Depres­sio­nen auch Stö­run­gen in unse­ren Zell­kraft­wer­ken, den Mito­chon­dri­en, fest­ge­stellt wor­den sind. Auf­grund sol­cher Erkennt­nis­se soll­ten wir uns mei­nes Erach­tens beson­ders um Nähr­stof­fe küm­mern, die in der Lage sind, die Mito­chon­dri­en zu schüt­zen. Hier­zu zäh­len u.a. die kör­per­ei­ge­nen Wirk­stof­fe Coen­zym Q10, Car­ni­tin und Alpha-Lipon­säu­re. Übri­gens: Die in der Behand­lung von bipo­la­ren Erkran­kun­gen ein­ge­setz­ten Sub­stan­zen wie Lithi­um und Val­proa­te wir­ken auch im Bereich der Mitochondrien.

Nach neu­es­ten Erkennt­nis­sen zeigt sich, dass Glu­ten, das Kle­ber­ei­weiß im Getrei­de, sehr nega­ti­ve Aus­wir­kun­gen auf die Funk­tio­nen des Gehirns hat – beson­ders, wenn es nicht hin­rei­chend ver­daut wird. So führt eine getrei­de­las­ti­ge Ernäh­rung u.a. über den Glu­ko­se­an­stieg im Blut (Hyper­glyk­ämie) zur Insu­lin­re­sis­tenz und chro­ni­scher Ent­zün­dung. Das Gehirn aber reagiert extrem emp­find­lich auf die durch chro­nisch hohe Glu­ko­se­wer­te ver­ur­sach­ten gly­ko­li­sier­ten Pro­te­ine wie das gly­ko­li­sier­te Hämo­glo­bin (HbA1c). Die­se Ner­ven schä­di­gen­den Reak­tio­nen wer­den durch Glu­ten ver­stärkt. Glu­ten schä­digt als mito­chon­dria­les Gift die Ener­gie­zen­tra­len unse­rer Zel­len. Hier­durch kommt es schließ­lich zu einer Abnah­me des Volu­mens bestimm­ter Hirn­area­le wie Hip­po­cam­pus und Amyg­da­la, die u. a. für die Wahr­neh­mung, Gedächt­nis­leis­tung und Stress­re­gu­la­ti­on ver­ant­wort­lich sind. Unter die­sem Aspekt muss Glu­ten als Hirn schä­di­gen­de Sub­stanz ein­ge­ord­net werden.

Ob und wie stark die schä­di­gen­den Reak­tio­nen auf Glu­ten bei den betref­fen­den Pati­en­ten ablau­fen, kann durch neue Labor­ana­ly­sen indi­vi­du­ell abge­klärt werden.

Wei­te­re Unter­su­chun­gen an Gehir­nen von ver­stor­be­nen Pati­en­ten haben gezeigt, daß bei Depres­si­ven Gene hoch­re­gu­liert sind, die einen ver­stärk­ten oxi­da­tiv­en Stress ver­ur­sa­chen. Die Gabe von Anti­oxi­dan­ti­en darf daher bei der Depres­si­ons­be­hand­lung auf kei­nen Fall feh­len. Dass oxi­da­tiv­er Stress nicht nur in Ver­bin­dung mit Depres­sio­nen son­dern mit neu­ro­de­ge­nera­ti­ven Erkran­kun­gen gese­hen wer­den muß, hat Dr. David Perl­mut­ter wäh­rend des Func­tion­al Medi­ci­ne Kon­gres­ses in Flo­ri­da erwähnt: Die Ein­nah­me von Anti­oxi­dan­ti­en (Vit­amin E und C) ver­min­dern das Demenz­ri­si­ko um 47 % (10)!

In der ortho­mo­le­ku­la­ren Psych­ia­trie wer­den bereits seit Jahr­zehn­ten Vit­ami­ne, Mine­ral­stof­fe, Ami­no­säu­ren und Fett­säu­ren the­ra­peu­tisch ein­ge­setzt. Einer der Pio­nie­re auf die­sem Gebiet, Dr. Abra­ham Hof­fer, ist in 2009 im Alter von 91 Jah­ren in Bri­tish Colum­bia gestor­ben. Er hat beob­ach­tet, dass Pati­en­ten mit Schi­zo­phre­nie von der Ein­nah­me von Vit­amin B3 (Nia­cin) und Anti­oxi­dan­ti­en pro­fi­tier­ten. Sei­ne bahn­bre­chen­de Beob­ach­tung mach­te er an einem schi­zo­phre­nen Pati­en­ten, der sich im kata­to­nen Zustand im Koma befand und zu ster­ben droh­te. Als The­ra­pie­ver­such ver­ab­reich­te Dr. Hof­fer gro­ße Men­gen an Vit­amin B3 und Vit­amin C über eine Magen­s­ode, wodurch der Pati­ent über­lebt hat. Am nächs­ten Tag konn­te der Pati­ent das Getränk selbst im Sit­zen trin­ken und nach 30 Tagen wur­de er sym­ptom­frei entlassen.

Damit der Rah­men die­ser Arbeit nicht gesprengt wird, ver­zich­te ich auf eine aus­führ­li­che Dar­stel­lung von Ein­zel­wir­kun­gen von Nähr­stof­fen und ver­wei­se auf die ent­spre­chen­de Fach­li­te­ra­tur im Anhang. Die 10 wich­tigs­ten ortho­mo­le­ku­la­ren Nähr­stof­fe bzw. Vital­stoff­kom­bi­na­tio­nen, die ich als Ner­ven­schutz­sub­stan­zen bei mei­nen Pati­en­ten ein­set­ze, sind in der Tabel­le 4 Brain-Pro­tec­tion- For­mu­la aufgeführt.

Pati­en­ten, die an Depres­sio­nen oder ande­ren neu­ro­lo­gi­schen Erkran­kun­gen lei­den, soll­ten nicht nur nach den her­kömm­li­chen Metho­den (Psy­cho­the­ra­pie, Psy­cho­phar­ma­ka, Psych­ia­trie) behan­delt wer­den. Ent­zün­dun­gen, Umwelt­gif­te, Stö­run­gen im Magen-Darm-Trakt und ein erhöh­ter Nähr­stoff­be­darf kön­nen als mög­li­che Ursa­chen oder Sym­ptom­ver­stär­ker infra­ge kommen.

Die fol­gen­den Ana­ly­sen betrach­te ich als Basis­un­ter­su­chun­gen bei Depres­sio­nen und ande­ren Erkran­kun­gen des Nervensystems:

  • Gro­ßes Blut­bild mit Homo­cystein, Vit­amin D3, IgE, IL‑6, hs-CRP.
  • Stoff­wech­sel- & Nähr­stoff­pro­fil: Orga­nix Profil
    (Ori­gi­nal Test von GENOVA Dia­gno­stics, USA).
  • Stuhl- & Ver­dau­ungs­ana­ly­se (Pil­ze, Parasiten?)
    NEU: Mikro­bi­om Ana­ly­se mit­tels DNA- und Laser­tech­no­lo­gie (Mal­di-Tof) (Ori­gi­nal Tests von Doc­tors Data bzw. GENOVA, USA).
  • Toxi­sche Metal­le, Mine­ral­stof­fe und Spu­ren­ele­men­te im Urin, Haa­ren bzw. Blut (Doc­tors Data/USA ver­fü­gen über 40-jäh­ri­ge Laborerfahrung).
  • Abklä­rung Nahrungsmittelunverträglichkeiten
    (z.B. Glutenunverträglichkeit).
  • Pep­tid­ana­ly­sen im Urin (Caso­mor­phi­ne, Glutenomorphine).
    Bedingt durch eine gestör­te Ver­dau­ung von Kuh­milch- und Getrei­de­pro­te­inen kön­nen unver­dau­te Eiwei­ße (z.B. Caso­mor­phi­ne, Glu­ten­ex­or­phi­ne) ent­ste­hen, die Ner­ven- und Hirn­funk­tio­nen ähn­lich wie Mor­phin stö­ren. Sie sind asso­zi­iert mit Autis­mus, ADHS, Depres­sio­nen und Schi­zo­phre­nie. Seit 2009 sind Urin­tests zur Abklä­rung einer sol­chen Pep­ti­d­un­ver­träg­lich­keit Bestand­teil des Dia­gnos­tik­spek­trums in mei­ner Praxis.
Die­sen Bei­trag u.a. im PDF-For­mat her­un­ter­la­den und bequem lesen:

Mein The­ra­pie­kon­zept habe ich als das „3‑E“ Pro­gramm zusammengefasst:

Ernäh­rung • Ent­gif­tung • Entspannung

Ein­zel­hei­ten über die Hepar-Tox-Infu­si­ons­the­ra­pie mit hoch­do­sier­ten Vital­stof­fen und kör­per­ei­ge­nen Sub­stan­zen mit beglei­ten­dem Anti-Stress-Pro­gramm kön­nen abge­ru­fen wer­den unter: www.umweltmedizin.org

Glei­ches gilt für die moder­ne Dia­gnos­tik aus dem Bereich der Func­tion­al Medi­ci­ne, der ange­wand­ten Ernäh­rungs- und Umwelt­me­di­zin, die viel­ver­spre­chen­de Ansät­ze bei chro­ni­schen Erkran­kun­gen bie­tet. Grund­sätz­lich rate ich dazu, das The­ra­pie­pro­gramm und die Dosie­rung der Nähr­stoff­prä­pa­ra­te indi­vi­du­ell auf der Basis des o.g. Unter­su­chungs­pro­gramms zusammenzustellen.

Kon­takt:
Klaus-Diet­rich Runow, Arzt und Buchautor
Insti­tut für Umwelt­me­di­zin (IFU) – Diagnostik+Therapie
Butt­lar­stra­ße 4A, D‑34466 Wolf­ha­gen, Tel.: 0 56 92 – 99 77 90
[email protected] · www.umweltmedizin.org

Quel­len­nach­weis

  1. Ilumi­na­ting the Path Forward,16. Inter­nat. Sym­po­si­um des Insti­tuts for Func­tion­al Medi­ci­ne; Schwer­punkt: Depres­sio­nen; Hol­ly­wood, Flo­ri­da, USA, 27. – 30.Mai 2009
  2. Jay Lom­bard, Ass.Professor of Neu­ro­lo­gy, New York Pres­by­te­ri­an Hos­pi­tal, 16. Inter­nat. Sym­po­si­um des Insti­tuts for Func­tion­al Medi­ci­ne; Schwer­punkt: Depres­sio­nen; Ilumi­na­ting the Path Forward,Hollywood, Flo­ri­da, USA, 27. – 30.Mai 2009,
    www.nimh.nih.gov
  3. Mark Hyman, 16. Inter­nat. Sym­po­si­um des Insti­tuts for Func­tion­al Medi­ci­ne Schwer­punkt: Depres­sio­nen; Ilumi­na­ting the Path Forward,Hollywood, Flo­ri­da, USA, 27. – 30.Mai 2009
  4. Mark Hyman: The Ultra Mind Solu­ti­on, USA, Janu­ar 2009
  5. Srj­dan Prod­a­no­vich et al., Arch Der­ma­tol 2009; 145:700 – 703
  6. Mar­ti­na Len­zen-Schul­te, Die Schwer­mut über­den­ken, Frank­fur­ter Allg Zei­tung, FAZ.NET, 3.12.2009
  7. Jueng­ling et al ‚2000, Psychopharmacology
  8. Capur­on et al, 2002, Neuropsychopharmacology
  9. E.Epel et al. 2006, PsychoNeuroEndocrinol
  10. David Perl­mut­ter, 29.Mai 2009: Ilumi­na­ting the Path Forward,16. Inter­nat. Sym­po­si­um des Insti­tuts for Func­tion­al Medi­ci­ne; Schwer­punkt: Depres­sio­nen; Hol­ly­wood, Flo­ri­da, USA
  11. Bar­ba­ra Dries­sen, Zu wenig Schlaf macht dick, dumm und krank, Die Welt, 21.11.2009
  12. Fon­ken, L.K. et al. Influence of Light at Night on Muri­ne Anxie­ty- and Depres­si­ve-Like-Respon­ses. In: Beha­viou­ral Rese­arch 205, S. 349 – 354, 2009
  13. PD Dr. A.M. Möl­ler-Leim­küh­ler, Inter­view in der MMW-Fortschr.Med.Nr.47/2009 (151. Jg) von Dr. Bri­git­te Moreano
  14. Dicke Kin­der, Risi­ken im Blut, MMW-Fortschr.d.Med. Nr. 26 – 29, 25.Juni.2009; Quel­le: ENDO 09, 12. Juni 2009, Abs­tract OR18‑4
  15. Bei Adi­pö­sen ist das Hirn­vo­lu­men ver­rin­gert, Ärz­te Zei­tung, 28./29. August 2009
  16. Ulrich Schna­bel, Die Wie­der­ent­de­ckung der Muße, Die Zeit, 30.12.2009 S. 33 – 34 mit Zitat aus dem Buch von Miri­am Meckel: Das Glück der Unerreichbarkeit
  17. Klaus-Diet­rich Runow, Wenn Gif­te auf die Ner­ven gehen, Süd­west Ver­lag Mün­chen, 2. Auf­la­ge, April 2009
  18. Robert Heda­ya und Shei­la Quinn; Depres­sio­nen: Advan­cing the Tre­at­ment Para­digm, S. 27 ff.
  19. Hrsg: The Insti­tu­te For Func­tion­al Medi­ci­ne, Gig Har­bor, Washing­ton, USA, ISBN 978 – 0‑9773713 – 4‑1;
  20. ebd, S. 88 ff
  21. ebd, S. 14
  22. ebd. S. 31
  23. För­dert Vit­amin­man­gel Depres­sio­nen?, Medi­cal Tri­bu­ne, 5. Juni 2009
  24. Ursa­chen und früh­zei­ti­ge Dia­gnos­tik von Vit­amin B12 Man­gel, Prof. Dr. Dr. Wolf­gang Herr­mann, Deut­sches Ärz­te­blatt, Heft 40, 3. Okto­ber 2008, S. 680 – 685
  25. B12 & Co. gegen Schlag­an­fall, Medi­cal Tri­bu­ne, 20.11.2009, Quel­le: Olaf Stan­ger, Expert Rev. Neu­ro­ther. 2009; 9: 1393 – 1412

 

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