In diese Ausgabe informieren wir Sie über eine bemerkenswerte Neuerscheinung auf dem Gesundheits-Buchmarkt. Klaus-Dietrich Runow, ein seit fast 20 Jahre auf die Behandlung von ernährungs- und umweltbedingten Erkrankungen spezialisierter Arzt sowie Gründer und Leiter des IFU (Institut für Functional Medicine und Umweltmedizin) hat einen umfassenden Ratgeber zu dieser Thematik veröffentlicht.
Nervenschutz durch Entgiftung – Klaus-Dietrich Runow
Auf dem Titelblatt des soeben erschienenen Buches „Nervenschutz durch Entgiftung“ des renommierten Umweltmediziners und Autors Klaus-Dietrich Runow findet sich der Satz: Functional Medicine – Die Medizin des 21. Jahrhunderts. Was ist Functional Medicine?
Was macht Functional Medicine zur Medizin des 21. Jahrhunderts?
Der amerikanische Begriff „Functional Medicine“ enthält das, was wir unter Ernährungs- und Umweltmedizin verstehen, geht aber wesentlich darüber hinaus. Ausgehend von der Tatsache, dass jeder Mensch eine „biochemische Individualität“ ist und deshalb ganz persönliche Stoffwechselreaktionen, Immunprozesse, Entgiftungsvorgänge aufweist, legt die Functional Medicine größtes Gewicht auf die sorgfältige Ermittlung und Analyse der individuell vorliegenden physiologischen und biochemischen Gegebenheiten. Dieser Ansatz ist also nicht „krankheits-zentriert“, sondern „patienten-zentriert“.
Die vor allem in den USA entwickelten (– und im IFU-Institut genutzten –) neuen Testverfahren geben umfassend, schnell und präzise Aufschluss über den aktuellen Gesund-heits-Status des Patienten, eventuell vorhandene (Nährstoff-)Defizite sowie Belastungen endogener (z. B. oxidativer Stress) oder exogener Art (Umwelt-Schadstoffe, Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten usw.). Die Testresultate erlauben die Erstellung und Durchführung eines auf den akuten persönlichen Zustand zugeschnittenen individuellen Behandlungsprogramms, dessen Fortschritt und Erfolg wiederum genau überprüft werden kann.
Ein weiterer enormer Nutzen dieser von Functional Medicine angewendeten, wissenschaftlich aussagekräftigen Test-Verfahren, liegt in der phantastischen Möglichkeit, auf diese Weise frühzeitig, d. h. vor dem Eintreten gesundheitlicher Störungen, das persönliche Risikoprofil für bestimmte Erkrankungen sowie das körpereigene Entgiftungspotential zu ermitteln und durch die gezielte Gabe orthomolekularer Substanzen auf zellularer Ebene so zu unterstützen, dass es zu keiner Erkrankung kommt. Da das Ziel der Functional Medicine die Verhinderung der „genetischen Expression von Krankheiten ist, werden die neuen genetischen Analysen zur Bestimmung des persönlichen Risikoprofils zu einem wichtigen Instrument ernährungs- und umweltmedizinischer Maßnahmen. Das ist die Vision von Functional Medicine: Endlich hätten wir es selbst in der Hand, unsere Gesundheit und Vitalität im Sinne echter Präventivmedizin wirksam zu schützen und zu erhalten, statt uns dem Reparaturbetrieb des gegenwärtigen Gesundheitssystems überlassen zu müssen.
Im folgenden wird über die dramatischen medizinischen Herausforderungen berichtet, die sich durch die Zunahme chronischer Zivilisationsleiden, insbesondere neuro-degenerativer Erkrankungen, ergeben; sowie über die Verfahren, die der Autor Klaus-Dietrich Runow in seinem Buch „Nervenschutz durch Entgiftung“ beschreibt und im Rahmen seiner ärztlichen Tätigkeit im IFU-Institut praktiziert. Darüberhinaus werden seine Angaben zu den wichtigsten verwendeten orthomolekularen und phytotherapeutischen Substanzen sicherlich das besondere Interesse unserer Leser finden.
Umweltgifte und ihre Folgen für die Gesundheit
„Die Aufnahme giftiger Substanzen aus unserer Umwelt führt immer schneller zu einer Belastung des Nervensystems, was man auch als Gehirnverschmutzung bezeichnen kann.“
Die Folge der zunehmenden Gehirnverschmutzung ist die Zunahme neurodegenerativer Erkrankungen.“
„Der moderne Mensch gerät immer schneller an die Grenze der biochemischen Belastbarkeit, d. h. die für die Entgiftung notwendigen Enzyme, Peptide, Mineralien, Spurenelemente und Vitamine werden immer schneller verbraucht. So ist zu verstehen, dass schließlich oft eine geringe Chemikalienexposition oder psychischer Stress ausreicht, um schwere Symptome auszulösen.“
„Der Aufbau und die Freisetzung von Botenstoffen (Neurotransmittern) in unserem Gehirn ist im großen Umfang vom Nährstoffstatus und der Menge an oxidativen Radikalen, die bei einer mangelhaften Entgiftung entstehen, abhängig. Vitaminmangel ist auch ein Risikofaktor für Alzheimer.“
Solche Sätze finden sich gleich am Anfang des Buches. Es sind Sätze wie Paukenschläge!
Paukenschläge, die uns Leser dazu bringen können, endlich zu erwachen und die Wirklichkeit zu erkennen, in der wir leben. Von Anfang an bezieht der Autor die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse, also unser Gesundheitssystem, unsere Wirtschafts- und Lebensweise, schonungslos in seine Analyse ein. Seine Urteile sind fundiert und stützen sich auf Fakten, die – in der Häufung der vorgebrachten Beispiele – erschreckend sind.
Was uns erschrecken läßt, ist die aufdämmernde Erkenntnis, dass es bei dem, was Runow faktenreich präsentiert, noch um etwas anderes geht als um die Betrügereien von einigen Ganoven, die Gammelfleisch umpacken und es ahnungslosen Verbrauchern andrehen. Darüber können wir uns aufregen. Runow beschreibt etwas viel Fundamentaleres: Die schleichende, unmerkliche Präsenz von Stoffen, die Teil unserer Lebenswelt, unserer Wohnungen, unserer Nahrung sind und die uns – in ihrer „kumulativen Wirkung“ – schädigen können. Wir sind die Generation, deren Körper in ihrer schlichten, alltäglichen Existenz unausweichlich und permanent toxischen Belastungen in einem Maß ausgesetzt sind, die unsere natürlichen Abwehr- und Entgiftungsmechanismen überfordern.
Umweltgifte zerstören das Nervensystem
Wußten Sie, dass in Muttermilch, dem Inbegriff lebensfördernder Nahrung, nach Analysen des World Wide Fund for Nature (WWF) über 350 Schadstoffe nachgewiesen worden sind – u. a. Parfüm, Sonnenöl und Trockenreinigungsmittel. Die Dioxinwerte lagen über dem 42-fachen (!) der zulässigen Grenzwerte. Grenzwerte? Sie können angepasst werden. Wir lernen, dass die EU-Kommission und das deutsche Verbraucherministerium die Grenzwerte von 33 giftigen Spritzmitteln teilweise drastisch erhöht. Dazu gehört selbst das von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als „höchst gefährlich“ eingestufte Insektizid Methomyl, dessen Grenzwert von EU und Ministerium nun für Tomaten um das 10-fache angehoben wurde. Man kann davon ausgehen, bemerkt Runow dazu, dass bei 2⁄3 der konventionell angebauten Tomaten Pestizidrückstände enthalten sind.
Aus den unterschiedlichsten Quellen reichern sich Schwermetalle im Organismus an, belasten und schädigen Organe, Immun- und Nervensystem. Der Autor behandelt exem-plarisch die toxischen Wirkungen von Blei, Quecksilber und Aluminium.
„Blei führt beim Menschen zu Nerven- und Nierenschädigungen und beeinträchtigt das blutbildende System. Moderat erhöhte Bleiwerte stören die Gedächtnisfunktion, Denkleistung, Nervenüberleitungen … Kinder mit hohen Bleiwerten neigen häufig zur Hyperaktivität und Lernstörungen. Macht Blei dumm? Diese Frage darf man wohl mit Ja beantworten.“ Eine Studie aus dem Jahr 2000 ergab, dass Kinder mit hohem Bleigehalt in den Knochen sich aggressiver verhalten und häufiger straffällig werden.
„Quecksilber unterdrückt die biologischen Selenfunktionen und kann zu Immunstörungen führen. Symptome einer hohen Quecksilberbelastung sind Appetitverlust, neurologische Störungen (periphere Sensibilitätsstörungen, Tremor), Hör und Sehverlust, Erschöpfung, Depression, emotionale Labilität, Gedächtnisstörungen, kognitive Dysfunktionen und neuromuskuläre Störungen.“
„Aluminium ist toxisch, wenn zu hohe Mengen in die Zelle aufgenommen werden. Häufig ist der Aluminiumwert im Haar bei Kindern und Erwachsenen erhöht, die an Verhaltensstörungen, Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndrom (ADHS) und Autismus leiden. Beim Auftreten präseniler Demenz oder bei der Alzheimer´schen Erkrankung sollte an eine Aluminiumbelastung gedacht werden.“
Endogene Gifte
Die Funktion unseres Nervensystems wird nicht nur durch gefährliche Substanzen aus der Umwelt beeinträchtigt, die durch die Atmung, durch Verzehr oder Hautkontakt in unseren Organismus gelangen. Neurodegenerative Störungen sind zunehmend auch die Folge fehlgeleiteter innerer Prozesse. So liegt vielen Krankheiten ein „gemeinsamer grundlegender Pathomechanismus“ zu Grunde, nämlich der Anstieg giftiger, entzündungsfördernder Stoffwechselprodukte.
„Das bedeutet, dass bei chronischen Erkrankungen grundsätzlich zunächst die Entgiftungsleistung bzw. eine Belastung der Leber durch exogene und endogene Gifte untersucht werden muss. Zu den endogenen Giften gehören in erster Linie Stoffwechselprodukte, die über die Blutgefäße des Darmtraktes in die Leber gelangen und dort die Entgiftungswege stark belasten und bei langsamen Entgiftern sogar blockieren können. Durch eine ungenügende Verdauungsleistung, bakterielle Fehlbesiedlung, Pilzerkrankung u. a. kommt es zu einem Anstieg toxischer Substanzen im Darm. Da die Darmoberfläche immerhin eine Fläche von 300 – 400 qm einnimmt, kann man sich leicht vorstellen, wie stark die Leberbelastung ansteigt, wenn die Darmökologie im Ungleichgewicht ist. Neben dem Entgiftungstest der Leber (Hepar-Tox-Test) gehören (deshalb) zum Basisprogramm in der Functional Medicine stets Stuhl und Verdauungsanalysen sowie die Abklärung von Nahrungsmittelunverträglichkeiten.“
Zu den in unserem Stoffwechsel gebildeten Giften gehört auch das Homocystein. Es wirkt direkt neurotoxisch und schädigt das Gefäßsystem.
„Bei Patienten mit hohen Homocysteinwerten kommt es häufiger zu depressiver Verstimmung, Unruhe, Lebensunzufriedenheit und Gewichtsverlust als bei Demenzpatienten mit geringen Homocysteinwerten. Da Homocystein durch die Vitamine B 6, B 12 und Folsäure abgebaut werden kann, gehört die Gabe dieser Vitamine fast immer zum Therapieprogramm bei neurodegenerativen Erkrankungen … Ein erhöhter Homocystein-Spiegel steigert das Risiko, an Alzheimer zu erkranken, um 200 %.“
Allergien und Nervensystem
Einen besonderen Raum in Runows Buch nehmen seine Ausführungen zu Allergien und Nahrungsmittelunverträglichkeiten, also zu Gesundheitsstörungen, die – auf den ersten Blick – nichts mit neurologischen Erkrankungen zu tun haben. Allergische Reaktionen werden oft sehr eindimensional der Haut (z. B. Ekzeme), den Schleimhäuten (z. B. Konjunktivitis) oder den Bronchien zugeordnet. „Dass im Grunde alle Organe als Zielorgan einer Allergie infrage kommen, auch das Gehirn, wird häufig nicht in Betracht gezogen.“
Allergien
„… manifestieren sich auf der Grundlage einer schweren neuro-immunologischen Fehlregulation, die die beiden wichtigsten Informationssysteme des Organismus betreffen, nämlich das Immun- und das Nervensystem. Die von der Functional Medicine entwickelten Verfahren sind besonders geeignet, die Ursachen allergischer Überschussreaktionen zu ermitteln und die bestehende Fehlregulation zu korrigieren.“
Die Ausführungen über Allergien stehen übrigens in engem Zusammenhang mit neuen Erkenntnissen über die Ursachen der ADHS-Erkrankung, deren Behandlung ein eigenes ausführliches Kapitel gewidmet ist. An Aufmerksamkeits-Defizit- und Hyperaktivitäts-Syndrom (ADHS) leiden in Deutschland mittlerweile 350.000 Kinder und Jugendliche im Alter von 6 – 16 Jahren. Viele der Betroffenen (weltweit etwa 10 Millionen Kinder) werden mit dem Psychopharmakon Methylphenidat (Markennamen sind z. B. Ritalin, Concerta) behandelt, dessen Verbrauch in Deutschland sich seit 1994 mehr als verzehnfacht hat. Allein im Jahre 2000 hat er sich gegenüber dem Vorjahr verdoppelt.
Runow schreibt über die Vorgehensweise bei ADHS mit aller wünschenswerten Deutlichkeit:
„Auf der Basis heutiger Erkenntnisse kann einer medikamentösen Therapie mit psychoaktiven Substanzen wie z. B. Methylphenidat nur zugestimmt werden, wenn ernährungs- und umweltmedizinische Maßnahmen nicht den gewünschten Erfolg bringen. Ergänzend zum Ausschluss von Allergien und Pseudoallergien gegen Nahrungsmittel und Zusatzstoffe sollten Stuhl- und Verdauungsanalysen als Basis für eine individuelle Beratung herangezogen werden. Wenn die hieraus resultierenden Maßnahmen nicht ausreichen, sind Stoffwechselanalysen im Hinblick auf einen erhöhten Bedarf an neuroprotektiven und antioxidativen Nährstoffen (Vitamine, Mineralien, Amino- und Fettsäuren) zu empfehlen.“
Wie können wir uns schützen?
Im Hinblick auf die steigende Zahl neurodegenerativer Erkrankung wie Morbus Alzheimer und Morbus Parkinson wird die Erforschung der zugrunde liegenden Ursachen und die Erarbeitung wirksamer Therapieverfahren immer dringlicher. „Bisherige Behandlungen zielen darauf ab, die durch den Verfall bzw. Abbau bestimmter Hirnregionen und Nervenbahnen gestörte Biochemie durch entsprechende Medikamente auszugleichen. Functional Medicine setzt weit vorher an. Wenn durch moderne Untersuchungstechniken geklärt ist, ob jemand schlecht entgiftet und hierdurch den gesamten Organismus mit hochreaktiven chemischen Substanzen belastet, kann eine auf die einzelne Person abgestimmte Schutztherapie ausgearbeitet werden.“
Gerade neurodegenerative Erkrankungen des Alters (wie Alzheimer) scheinen aus einer Kombination aus langfristigen Toxinbelastungen und dem biologischen Alterungsprozess zu resultieren. So berichtet der Autor, dass die Forscher des Health Sciences Centers der Universität von Britisch Columbia davon ausgehen,
„Neurologische Erkrankungen sind nicht unumkehrbar oder unbeeinflussbar. Es wird aber wohl noch mehr als 10 Jahre dauern, bevor die Schulmedizin die vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse in die Praxis umsetzt.“
Dr. Jeffrey Bland, Leiter des US-amerikanischen
Institute for Functional Medicine (IFM) |
„dass sich Morbus Parkinson, Morbus Alzheimer und andere Neuronen-Erkrankungen nur durch den Ort der Schädigung durch Toxine voneinander unterscheiden.“ Eine Forschungsgruppe der Universität Birmingham berichtete, dass „bei Alzheimer-Patienten ähnliche metabolische Probleme auftreten, wie sie bei Parkinson-Patienten beobachtet worden waren.“ Diese Forschungsgruppe kam zu dem Ergebnis, „dass sowohl die Alzheimer- als auch Parkinson-Patienten die Fähigkeit ihrer Leber erschöpft hatten, freie Radikale zu neutralisieren und deutlich anfälliger für Schäden des Nervensystems durch direkte Einwirkung verschiedener toxischer Chemikalien sind.“
„Auf der Basis dieser Erkenntnisse wird der Sinn einer präventivmedizinischen Diagnostik und Therapie deutlich, besonders, wenn man bedenkt, dass bei einer neurodegenerativen Erkrankung wie der Parkinson-Krankheit, Symptome erst auftreten, wenn über 50 % der entsprechenden Nervenzellen verloren gegangen sind und der Betroffene 60 Jahre oder älter ist. Gefährdete Personen sollten daher frühzeitig mit einer neuroprotektiven Behandlung beginnen.“
Behandlung neurologischer Erkrankungen
Basis-Wirkstoffe in der Functional Medicine
Einen breiten Raum nimmt die Beschreibung der in der angewandten Ernährungs- und Umweltmedizin – Functional Medicine – verwendeten Basis-Wirkstoffe ein. Runow sagt, weshalb ihm das besonders am Herzen liegt: „Ich möchte die Basiswirkstoffe, die in meiner Praxis eingesetzt werden, kurz beschreiben, damit meine Patienten verstehen, warum diese orthomolekularen Substanzen so außerordentlich wichtig sind.“
Diese Mikronährstoffe werden mit dem Ziel eingesetzt, die Arzneitherapie überflüssig zu machen oder die Dosis der notwendigen Pharmaka auf ein Minimum herabzusetzen.
Die 3 Säulen der Therapie:
Entgiftung, Membranschutz, antientzündliche Potenz
Zu den Basis-Wirkstoffen im Hinblick auf Entgiftung, Membranschutz und antientzündlicher Potenz zählen u. a. folgende natürlich bzw. körpereigene Vitalstoffe:
Coenzym Q10, Glutathion, Alpha-Liponsäure, Acetyl-Carnitin, NADH, Vitamin E (besonders Gamma-Tocopherol), Omega-3-Fettsäuren (besonders EPA), Taurin, Glycin, Ascorbinsäure und die B‑Vitamine.
Den Lesern von NWzG sind die meisten der genannten Wirkstoffe wohl bekannt; insofern möchte ich mich hier – exemplarisch und keineswegs vollständig – auf interessante Bezüge zum Thema „Nervenschutz und Entgiftung“ beschränken und im übrigen Lust auf die vollständige Lektüre des Buches machen. Gerade dieser Teil enthält eine solche Anzahl äußerst wissenswerter, praxisbezogener Hinweise, dass man die Erfahrung und Detailkenntnisse des Mediziners Runow nur immer wieder bewundern kann.
Coenzym Q10
„Q10 oder Ubiquinon ist eine körpereigene Wirksubstanz, die die Lipidperoxidation – also die Schädigung der Zellmembranen – verhindert und auch die Oxidation der im Serum befindlichen schädlichen Fettfraktionen LDL blockiert. Es schützt vor freien Radikalen und regeneriert verbrauchtes Vitamin E und Vitamin C. Bei Lebererkrankungen ist der Blutspiegel von Coenzym Q10 um 50 % (!) herabgesetzt. Ohne eine intakte Membranstruktur ist eine Zelle auf Dauer nicht lebensfähig. Schreitet die Schädigung fort, gehen ganze Zellverbände unter. Oft treten die Symptome erst auf, wenn weit über die Hälfte des Organs geschädigt sind. Bei Morbus Parkinson ist bekannt, dass die Symptome erst auftreten, wenn 70 – 80 % der entsprechenden Hirnregion (Substantia nigra) geschädigt sind. Das vorrangige Ziel der Functional Medicine ist es, die Funktion der Membranen aufrecht zu erhalten, indem deren wesentliche Bestandteile vor oxidativen Prozessen geschützt werden und zerstörte Areale regeneriert werden. Wenn oxidativ geschädigte Zellen zugrunde gehen, ist dieser Zelltod alleine nicht das Problem.
Eine große Gefahr lauert in den Membranen der Mitochondrien, wenn sie durch Umweltgifte zu einem Generator oxidativer Radikale umfunktioniert worden sind, d. h. in diesem Falle laufen energiereiche zerstörerische Prozesse ab, die nach dem Dominoprinzip immer mehr Mitochondrien-Membranen zerstören. Da eine Zelle nur eine begrenzte Zahl dieser Kraftwerke besitzt wird deutlich, welche Beschwerden in kurzer Zeit auftreten, wenn keine Membranschutztherapie bzw. Entgiftung erfolgt. Energieverlust in allen Zellen lassen einen Symptom-Mix entstehen: Erschöpfung, Herzbeschwerden, Verdauungsbeschwerden, Migräne, Schwindel und neurologische Symptome etc… Die Bestimmung der Basis-Wirksubstanzen zur Membranschutztherapie gehört (deshalb) mit in das Erstuntersuchungsprogramm, damit die Dosierung z. B. von Coenzym Q10 individuell an das Krankheitsbild angepasst werden kann.“
Glutathion – Neurotransmitter und Neuromodulator
„Glutathion ist eines der wichtigsten und wirksamsten Antioxidantien zum Schutz geschädigter Nervenzellen. Es ist wichtig für die ordnungs-und informationserhaltende Grundregulation lebender Systeme … Die Leber besitzt den größten Glutathiongehalt. 90 % des Leberglutathions befinden sich im Zytosol und 10 % in den Mitochondrien. Die Mitochondrien scheinen eine eigene Glutathionbiosynthese zu besitzen. Eine glutathionerschöpfende Substanz ist z. B. Paracetamol (Acetaminophen), d. h. dass der häufige Konsum von Schmerzmitteln, die Paracetamol enthalten, die Glutathionspeicher in der Leber reduzieren können. … Bei älteren Menschen geht physiologischerweise die Biosynthesekapazität an Glutathion und der selenabhängigen Glutathion-Peroxidase zurück. Ein Grund dafür ist die Resorptionsstörung von Selen, Cystein und Methionin. Hierdurch kann sich die Lipidperoxidation und dadurch die Bildung freier Radikale in allen Zellen ungehindert ausbreiten. Die Folge ist die Zerstörung von Zellen bzw. Zellmembranen und daraus resultierende Alterskrankheiten.“
Alpha-Liponsäure – das universelle Antioxidanz
„Alpha-Liponsäure (ALA) gehört zu den vielversprechendsten Antioxidantien überhaupt. In der Hierarchie der Substanzen, die die Redoxpotentiale im Organismus steuern, steht ALA ganz oben. Aufgrund der Wasser- und Fettlöslichkeit kann sich die Entgiftungskapazität in allen Geweben entfalten. ALA regeneriert verbrauchtes wasserlösliches Vitamin C und fettlösliches Vitamin E, d. h. ohne die erneute Einnahme der beiden Vitamine wird deren antioxidative Kapazität wieder hergestellt. Da ALA auch Glatathion recyclen kann und die Bildung von Glutathion verstärkt, kann man die ALA als universelles Entgiftungs- und Antioxidationsmittel bezeichnen, zumal sie auch die Blut-Hirn-Schranke überwindet und im Gehirn als Chelatbildner Metalle wie Cadmium, Kupfer und Eisen binden und ausscheiden kann. Der Neurologe Perlmutter glaubt, dass die Therapie neurodegenerativer Erkrankungen mit ALA einer der bedeutendsten Fortschritte in diesem Jahrzehnt sein wird.“
NADH
„Wie Coenzym Q 10 ist NADH unvermeidlich für die Energieproduktion in den Zellen (ATP-Produktion). NADH besitzt ein hohes Redoxpotential und schützt uns somit vor oxidativem Stress. Mit dem Alter sinkt auch der NADH-Spiegel im Körper ab, wodurch die Empfindlichkeit gegenüber Umweltgiften zunimmt. Der Abfall wichtiger Antioxidantien und Membranschutzstoffe mit zunehmendem Alter erklärt, warum so viele neurodegenerative Erkrankungen in der älteren Bevölkerung auftreten. Übrigens: Auch die Dopaminproduktion fällt mit dem Alter ab. In der Zellkultur konnten Forscher die Dopaminproduktion durch Zusatz von NADH erhöhen. Auch Parkinson-Patienten, die NADH oral erhielten, zeigten einen Anstieg von Dopamin im Blut. Wie oben beschrieben, gibt es bei der Energieproduktion (ATP) einen synergetischen Effekt von NADH, Coenzym Q10 und Carnitin.“
Acetyl-L-Carnitin
„Acetyl-L-Carnitin … ist ein wichtiger Baustein bei der Entgiftung der Mitochondrien. Die zweite Aufgabe ist, toxische Nebenprodukte im Gehirnstoffwechsel zu entfernen. Es durchdringt die Blut-Hirn-Schranke besser als L‑Carnitin und vermindert die Lipidperoxidation. Aufgrund dieser Leistungen ist Acetyl-L-Carnitin ein fundamentaler Baustein für das Überleben der Nervenzelle. Hierzu kommt die Neurotransmitterfunktion. Acetyl-L-Carnitn wird in den wichtigen Botenstoff Acetylcholin umgewandelt, der z. B. bei Morbus Alzheimer erniedrigt ist. Die Einnahme von Acetyl-L-Carnitin ist assoziiert mit einer Erhöhung von Glutathion und Coenzym Q10.“
Phosphatidylserin
„Wie sich in der letzten Zeit herausgestellt hat, ist die positive Wirkung des Lecithins auf die Gehirnfunktionen , vor allem die Verbesserung der Lern- und Gedächtnisleistungen, auf einen bestimmten Bestandteil des Lecithins, das Phosphatidylserin (PS) zurückzuführen. PS gehört zu den Schlüsselsubstanzen der neuronalen Membranen. Eine zusätzliche Gabe von PS stellt somit einen weiteren Baustein der Membranschutztherapie dar. Zu den wichtigen Membranen der Nervenzellen, die durch PS geschützt werden, gehören auch die Membranen der Mitochondrien.“
Taurin
„Taurin hat wichtige Membranschutz und Entgiftungsfunktionen. Auf den Zellmembranen kontrolliert Taurin den Transport von Magnesium, Calcium, Kalium und Natrium. Im Nervensystem unterstützt Taurin die Neurotransmitterfunktionen. Ein Taurinmangel führt zu einer Verstärkung entzündlicher Prozesse besonders nach Kontakt zu Umweltchemikalien wie Formaldehyd, Alkohol, Lösungsmitteln sowie chlorierten Kohlenwasserstoffen.“
Omega-3-Fettsäuren (EPA)
Bei den Omega-3-Fettsäuren (besonders EPA) handelt es sich um antientzündliche Fettsäuren, die im Fischöl vorkommen. Sie verbessern die Fließeigenschaften der Zellmembranen und optimieren den Glucosestoffwechsel (Verbesserung der Insulinempfindlichkeit). DHA (eine weitere, im Fischöl enthaltene Fettsäure) ist für den Aufbau der Hirnstruktur von Bedeutung. Im Laufe des Lebens wird DHA immer wieder für Reparaturarbeiten im Gehirn benötigt. EPA dagegen spielt insbesondere bei der Informationsweitergabe zwischen den Nervenzellen und auch im Auge eine besondere Rolle.
Niedrige EPA-Spiegel werden oft bei entzündlichen Erkrankungen wie Arthritis, Darmerkrankungen, Ekzemen, Psoriasis gesehen und sind assoziiert mit dem Schweregrad von Depressionen und anderen neurologischen Erkrankungen (z. B. ADHS bei Kindern und Jugendlichen).“
Mariendistel
„Abschließend und als Überleitung zum Entgiftungsorgan Leber bzw. zum Hepar-Tox-Entgiftungsprogramm möchte ich kurz auf die hervorragenden Eigenschaften der Mariendistel hinweisen. Egal ob Viren, Alkohol oder Umweltgifte der Leber zusetzen: Das belastete Organ reagiert immer mit einer Fibrosierung und schließlich mit einer Zirrhose, dem bindegewebigen Umbau des Organs. Silymarin, ein Wirkstoff aus der Mariendistel, kann diesen Prozess verlangsamen und verbessert die Leberfunktion. 40 – 60 % der Leberzirrhosen sind übrigens nicht auf Alkoholabusus zurück-zuführen!
Silymarin ist der kollektive Name für die drei Flavonolignane: Silybin, Silydianin und Silychristin. Die Wirkung der Flavonoide als Radikalenfänger und deren Eigenschaften gegen die Lipidperoxidation ähnelt dem Quercetin. Der antientzündliche Effekt dieser Naturstoffe kommt durch die Verminderung der Leukotrienenbildung zustande. Silybin reduziert die Histaminfreisetzung und hat einen membranstabilisierenden Effekt. Somit kann der Mariendistelwirkstoff auch als natürliches Antiallergikum bezeichnet werden.
Klinische Studien bestätigen die Wirksamkeit von Silymarin auch bei arbeitsstoffbedingten toxischen Leberschäden. 30 Patienten, die über mehrere Jahre am Arbeitsplatz Lösungsmitteldämpfen (Toluol, Xylol) ausgesetzt waren, erhielten vier Wochen lang täglich 420 mg Mariendistel-Trockenextrakt. Als Kontrollgruppe dienten 19 unbehandelte Patienten. Das Ergebnis untermauert die Wirksamkeit von Silymarin in dieser Indikation: Bei fortgesetzter Exposition hatten die Leberwerte (Transaminasen) in der Therapiegruppe signifikant abgenommen. In einer Verlaufsstudie mit Patienten mit langjähriger Exposition gegenüber halogenierten Kohlenwasserstoffen resultierte unter einer 1 – 20 tägigen Therapie mit 420 mg Mariendistel-Trockenextrakt pro Tag ein Abfall der Werte von GOT, GPT, Gamma-GT sowie der Cholinesterase.
Bei einer Untersuchung der Universität Erlangen an Patienten, die an Fettleber (47 %), Fettleberhepatitis (20 %) oder an Leberzirrhose (33 %) litten, besserte sich während der dreimonatigen Einnahme von Mariendistelextrakt (140 mg Silymarin) nicht nur die klinische Symptomatik (Übelkeit, Flatulenz, Juckreiz, Müdigkeit und Oberbauchdruck), sondern auch die Leberfunktion. Abzulesen war dies an einer Besserung oder sogar Normalisierung von GOT, GPT, AP und Bilirubin. Mariendistelextrakt steigert u. a. aufgrund der beschriebenen antioxidativen, antiallergischen und antientzündlichen Wirkungen die Regeneration der Leberzellen.“
Fazit
Der erfahrene Umweltmediziner Klaus-Dietrich Runow hat mit „Nervenschutz durch Entgiftung“ ein Sachbuch vorgelegt, dem man in jeder Zeile den durch jahrelange Praxis gereiften und bewährten Sachverstand anmerkt. Das Buch kommt, in seiner äußeren Gestalt, einigermaßen anspruchslos daher und der Autor betont auch gleich: „Lehrbücher werden immer von denjenigen Leuten geschrieben, die wenig Zeit haben, Patienten zu behandeln.“ Zu den Ärzten, die keine Zeit mehr für ihre Patienten haben, möchte Runow nicht gehören.
Hinter dieser sympathischen Bescheidenheit steckt ein anspruchsvolles Konzept: Functional Medicine – die Medizin des 21. Jahrhunderts. Das wirklich Revolutionäre an diesem medizinischen Ansatz ist, für mein Verständnis, die Beachtung der biochemischen Individualität des Menschen als zentralem Ausgangspunkt für die Ermittlung und Behandlung von Gesundheitsstörungen. Dies ist möglich geworden durch die unglaubliche Vernetzung und Verfeinerung der Untersuchungsmethoden, die präzise und verläßliche Daten für eine personalisierte Therapie liefern.
Zugleich wird davon ausgegangen, dass sich gerade degenerative Erkrankungen in verschiedener Form und an verschiedenen Orten im Körper manifestieren. Immer deutlicher wird aber auch erkannt – und Runow führt die Belege in seinem Buch an: Auf zellulärer Ebene sind diese vielgestaltigen Manifestationen Ausdruck einer einzigen Grundstörung, der Schädigung von Zellmembranen durch ein Übermaß aggressiver Einwirkung durch Umweltgifte oder endogene Stoffwechsel-Toxine.
Wie wird das Gift neutralisiert? Der Körper hat seine Systeme. Sie werden gespeist durch Nährstoffe. Ist die Giftbelastung groß, steigt der Bedarf an ausgleichenden Substanzen. Diese Vitalstoffe ermöglichen und unterstützen Entgiftung, Schutz und Regeneration der Zellstrukturen, Funktionserhalt der Mitochondrien und schließlich die Abwehr chronisch entzündlicher Prozesse. Der individuelle Bedarf an Schutzstoffen kann mit den Analysemethoden der Functional Medicine genau ermittelt werden. Ein Mangel an benötigten Vitalstoffen führt zu Zellschäden und einem erhöhten Risiko für degenerative Erkrankungen.
Ich musste beim Studium des Buches immer wieder an Adelle Davis denken. Adelle Davis hat die Amerikaner vor einer Generation mit dem Segen von Vitaminen bekannt gemacht. Millionen ihrer Leser haben sie geliebt, weil sie komplizierte Sachverhalte für jedermann verständlich, unterhaltsam und praxisbezogen darstellen konnte, ohne die Fakten unzulässig zu vereinfachen.
Ihre geniale Hauptthese lautete:
Es gibt nur zwei Krankheitsursachen: Mangel und Gift.
50 Jahre später scheint mir, dass die weise, leider vergessene Adelle Davis mit ihrer kecken Behauptung durch den Ansatz der Functional Medicine endlich ihre wissenschaftliche Bestätigung erfährt.