In diese Ausgabe informieren wir Sie über mögliche Zusammenhänge zwischen einfachen entzündlichen Reaktionen des Körpers und schweren Erkrankungen. Was zunächst etwas fantastisch klingt, hat, neuen medizinischen Erkenntnissen zu Folge einen berechtigten Hintergrund.
Chronische Entzündungen – ein zweischneidiges Schwert
Chronische „Schwelbrände“ im Körper als Kranheitsursache
Heute ein verletzter Knöchel und übermorgen „richtig“ krank? Können Sie sich vorstellen, dass es zwischen einer Schnittverletzung am Finger und einem Herzinfarkt, einer Zahnfleischentzündung und einem Schlaganfall, einer Sportverletzung und der Alzheimer Erkrankung oder einem Infekt und Krebs einen Zusammenhang gibt?
Was zunächst etwas fantastisch klingt, hat, neuen medizinischen Erkenntnissen zu Folge einen berechtigten Hintergrund, denn die genannten Ereignisse und Erkrankungen haben eine gemeinsame Schnittstelle: die Entzündungsreaktion.
Aktuelle medizinische Untersuchungsergebnisse zeigen, dass ein dauerhafter entzündungsbedingter „Schwelbrand“ Gift für unseren Körper ist und vermutlich einen entscheidenden Anteil an der Entstehung von Herz- /Kreislauferkrankungen, Krebs, Diabetes mellitus, Magengeschwüren, chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen, Nervenkrankheiten wie die Alzheimer Erkrankung oder Gelenkerkrankungen hat.Die Entzündungsreaktion – wichtiger Teil des Heilungsprozesses
Nahezu jeder von uns hat das schon einmal erlebt: man schneidet sich in den Finger und sofort schießt das Blut aus der Wunde. Schließlich kommt die Blutung wieder zum Stillstand und die verletzte Haut wird durch die Bildung von neuem Gewebe irgendwann wieder geschlossen.
Was eigentlich nach einem banalen Vorgang aussieht, ist in Wirklichkeit ein hochkomplizierter Vorgang, welcher der Schadensbegrenzung und der Reparatur dient. Durch die rasch einsetzende Blutung werden Bakterien und andere Keime weggespült, noch bevor sie über den Blutstrom in den Körper gelangen und dort eine Infektion hervorrufen können. Jedoch begnügt sich die Körperpolizei damit nicht. Mit dem Blut werden weitere Immunzellen in das Wundgebiet geschickt, um eventuell noch vorhandene Keime unschädlich zu machen und die Zelltrümmer zu beseitigen. Von den Immunzellen ausgesendete Botenstoffe locken immer noch mehr Abwehrzellen an.
Das „Notprogramm“ kann chronisch werden
Durch die einsetzende verstärkte Durchblutung rötet sich die Haut und erwärmt sich im Bereich der Wunde. Es bildet sich vermehrt Flüssigkeit und das Gewebe schwillt an – ein verletzter Knöchel wird beispielsweise dadurch dick. Die Schwellung wiederum kann aber auf die empfindlichen Nervenenden in der Haut drücken, wodurch sich ein weiteres „Entzündungszeichen“ – der Schmerz – dazu gesellt. So ist die Entzündung insgesamt ein komplizierter Prozess, der in unserem Körper als Antwort auf einen Reiz eingeleitet wird. Als Reize können Keime, Verletzungen (z. B. Knochenbrüche), extreme Kälte oder Hitze oder körperfremde Eiweiße (Allergene) dienen.
Im Zuge des Entzündungsprozesses kann es aber passieren, dass dieses akute „Notprogramm“ des Körpers, welches im Rahmen der Heilung durchaus sinnvoll ist, nicht regelgerecht beendet wird und die Entzündung chronisch wird. Das einmal entfachte „Entzündungsfeuer“ kann durch ständige Reize wie z. B. Zigarettenstoffe, Umweltgifte, Stress stets neu aufflackern, ohne dass sich dieser Prozess durch die oben genannten „klassischen“ Entzündungszeichen zeigt.
Im Blut lassen sich bei einer vermehrten Entzündungsbereitschaft bzw. bei bestehenden entzündlichen Prozessen vermehrt Entzündungsmarker (z. B. hs-CRP Hochsensitiver CRP-Assay C‑reaktives Protein) nachweisen.
Herzerkrankungen – das Cholesterin ist nicht immer schuld!
Bleiben solche „Brandherde“ im Körper zurück, kann dieses weitreichende Folgen für unsere Gesundheit haben. Langfristig bestehende „Feuerstellen“ (chronische Entzündungsorte) können an der Entstehung von Erkrankungen mitbeteiligt sein.
So weiß man inzwischen beispielsweise, dass die Veränderungen in den Blutgefäßen, die zu Herzinfarkt oder Schlaganfall führen, viel mit diesen vor sich hin schwelenden, entzündungsbedingten „Brandherden“ zu tun haben und die „klassischen Risikofaktoren“ (z. B. erhöhter Cholesterinspiegel, Bluthochdruck, Rauchen, Übergewicht) nicht für alle Herz-/ Kreislauftode verantwortlich gemacht werden können. So tritt etwa die Hälfte aller Herzinfarkte bei Menschen mit normalem Cholesterinspiegeln auf und mehr als zwei Drittel aller Herzinfarkte und Schlaganfälle betrifft gerade Stellen der versorgenden Gefäße, die nicht oder nur wenig verengt sind.
Die Atherosklerose ist eine – wie man inzwischen weiß – entzündungsbedingte Erkrankung und hat wenig mit der früheren Vorstellung der „Gefäßverstopfung“ zu tun. Bei den entzündlichen Prozessen in den Gefäßen spielen schädliche freie Radikale eine wichtige Rolle (Tabelle 1), die das Cholesterin „oxidieren“ und so derartig verändern, dass die Abwehrzellen sofort in Massen in das Gefäß einströmen und sich das geschädigte Fett „einverleiben“, um es aus dem Körper zu entfernen. Dabei werden entzündungsfördernde Botenstoffe freigesetzt und die Entzündung nimmt ihren Lauf.
Freie Radikale – Ursache und Wirkung (Beispiele)
Tabelle 1
Entstehung durch äußere Einflüsse | Entstehung durch innere Einflüsse | Wirkung von freien Radikalen |
---|---|---|
• Alkohol | • Atmung | • Schädigung (Oxidation) von Cholesterin u. anderen Fetten |
• Rauchen | • Entzündungen | • Schädigung von Eiweißen (z. B. Enzymen Hormonen Abwehrstoffen) |
• Stress | • Immunabwehr | • Verschlimmerung von Entzündungen |
• Medikamente | •Schädigung des Erbgutes | |
• Röntgenstrahlung | •Mitwirkung an der Entstehung von Erkrankungen (z. B. Herzerkrankungen o. Krebs) | |
• Umweltgifte | ||
• UV-Strahlung |
Auch bei Krebserkrankungen spielen entzündliche Prozesse eine Rolle
Ebenso liegen hinsichtlich der Krebserkrankungen Hinweise auf eine Beteiligung von Entzündungsprozessen vor. So können bestimmte „Entzündungsmarker“ bei Krebs vermehrt nachgewiesen werden. Bei einigen entzündungsbedingten Erkrankungen, z. B. chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen oder chronischen Leberentzündungen, besteht ein bekanntes erhöhtes Krebsrisiko.
Auch bei Krebserkrankungen spielen schädliche freie Radikale eine Rolle. Nicht umsonst gilt die Empfehlung, viel Obst und Gemüse zu verzehren, denn diese enthalten wertvolle Radikalfänger („Antioxidantien“), welche die Zellen schützen und dabei helfen, das Krebsrisiko zu mindern.
Zucker begünstigt chronische Entzündungen
Auch andere chronisch-degenerative Erkrankungen unserer Zeit wie beispielsweise die Demenzen (Morbus Alzheimer) oder Glukoseverwertungsstörungen, die in einen Diabetes mellitus münden können, werden mit Entzündungsprozessen in Verbindung gebracht. Zucker und leicht verwertbare Kohlenhydrate sorgen auf Dauer für eine Überlastung der Bauchspeicheldrüse und führen dazu, dass immer weniger Insulin gebildet wird bzw. die Zellen gegenüber der Insulinwirkung abstumpfen. Vielmehr werden vermehrt entzündungsfördernde Botenstoffe freigesetzt, deren Produktion zuvor durch das vorhandene Insulin gedrosselt wurde. So kann man auch bei Diabetikern mehr „Entzündungsmarker“ nachweisen.
Cranberries (Preiselbeeren) – Entzündungshemmung aus der Natur
Sie ist eigentlich schon alt, die Botschaft, dass Preiselbeeren Entzündungen entgegenwirken und den Körper gegen den Angriff von krankmachenden Keimen „stählen“ können. Bereits Hildegard von Bingen empfahl die Beeren des Heidekrautgewächses bei „schmerzhaft verstopftem Monatsfluss“ der Frau.
Und schließlich galten die Preiselbeeren auch später in der Volksmedizin als Heilmittel bei rheumatischen Beschwerden und Mundschleimhautentzündungen. Die Indianer Nordamerikas schätzten den Saft der Früchte bei Verwundungen und verwendeten diesen zur Ausleitung von Pfeilgiften.
Für die entzündungshemmende Wirkung werden in erster Linie die besonderen Gerbstoffe (Proanthocyanidine) der Beeren verantwortlich gemacht. Diese sind in den Cranberries (Vaccinium macrocarpon) in höherer Konzentration anzutreffen als in der europäischen Variante – es ist daher nicht verwunderlich, dass für die vielen wissenschaftlichen Untersuchungen, die zum Wirksamkeitsnachweis der roten Beeren in den vergangenen Jahrzehnten unternommen wurden, eben jene amerikanische Spezies zum Einsatz kam.
Die Fähigkeit der Cranberries, freie Radikale abzufangen ist, im Vergleich zu vielen anderen Obstsorten und auch im Vergleich zu anderen Radikalfängern (z. B. Vitamine C und E), deutlich höher ausgeprägt. Auch eine Antikrebswirkung der roten Powerfrüchte wird derzeit diskutiert. Des weiteren steht derzeit eine herzschützende Wirkung im Fokus der wissenschaftlichen Untersuchungen.
Entzündliche Harnwegsinfekte und Reizblase – dagegen ist ein Kraut gewachsen
So richtig in den Brennpunkt des medizinischen Interesses ist das Heidekrautgewächs bzw. seine Früchte aber erst in den vergangenen Jahrzehnten gerückt. Finnische und amerikanische Untersuchungen haben sich mit der Wirkung der amerikanischen Preiselbeere (Cranberry) vor allem bei Harnwegsinfekten befasst und erstaunliche Ergebnisse zu Tage befördert, die in anerkannten medizinischen Fachblättern veröffentlicht wurden. So wurde beispielsweise in einer Studie mit Frauen beobachtet, dass der Konsum eines Cranberry-Fruchtsaftgetränkes über einen Zeitraum von 6 Monaten das Risiko für wiederkehrende Harnwegsinfekte um etwa 50 % senkt. Vergleichbare Ergebnisse wurden auch in anderen Untersuchungen – z. B. auch mit Menschen, die einen Blasenkatheter trugen und somit ein erhöhtes Infektionsrisiko für eine Harnwegsinfektion aufweisen – erzielt.
Auch bei Reizblasenbeschwerden, die durch einen häufigen Harndrang charakterisiert sind oder Harninkontinenz (unfreiwilliger Harnabgang) kann die Cranberry hilfreich sein. Die vorliegenden klinischen Studien haben dazu geführt, dass das Conchrane Institute (ein Internationales Netzwerk aus Wissenschaftlern und Ärzten) den vorbeugenden Nutzen der Cranberries bei Harnwegsinfektionen als ausreichend belegt ansieht.
Cranberries behindern die Ausbreitung krankmachender Keime
In den meisten Fällen befallen Keime (z. B. E.coli) den Harntrakt, die über die Harnröhre einwandern und zur Entzündung der Blase (und des Nierenbeckens) führen können. Die krankmachenden Bakterien „hängen“ sich mit Hilfe von Haken oder Fäden an die Blasenschleimhaut und vermehren sich dort wie in einem Brutkasten. Die körpereigene Abwehr ist überfordert und schafft es, trotz der eingeleiteten Entzündungsreaktion, nicht mehr der Eindringlinge Herr zu werden. Häufig müssen daher Antibiotika zum Einsatz kommen.
Inzwischen hat man den Wirkmechanismus der Cranberries aufklären können. Die im Saft enthaltenen Gerbstoffe hindern die Bakterien am „Ausfahren“ ihrer Fäden und Haken und lassen durch diesen „Antiklett-Effekt“ den krankmachenden Keimen keine Chance für eine Ansiedlung und Vermehrung im Harnwegstrakt. Derzeit liegen eine Reihe von Studien vor, welche die „antiadhäsive“ Wirkung der Cranberries und die Schutzwirkung vor Blasenentzündungen untermauern. In einer neu veröffentlichten Studie (2006) mit Teilnehmern, die Cranberrysaft zum Abendessen erhielten, konnte im Morgenurin der Saftkonsumenten (im Vergleich zu Placebo) in einem Testsystem mit verschiedenen E.coli-Stämmen und Blasenschleimhautzellen der „Antikletteffekt“ gegen die krankmachenden Bakterien bestätigt werden. Dabei waren auch solche Bakterienstämme getestet worden, die gegen gängige Antibiotika resistent waren. Auch in diesen Fällen konnte die antiadhäsive Wirkung des Cranberry-Saftes beobachtet werden.
Übrigens: auch Magen und Mund können von den roten Beeren und dem daraus hergestellten Saft profitieren.
In diversen Studien gelang es, die antiadhäsive Wirkung der Cranberries auch für andere Keime nachzuweisen. So konnte beispielsweise gezeigt werden, dass die Cranberry-Inhaltsstoffe die Anheftung von Helicobacter pylori (Verursacher von Magenschleimhautentzündungen) an die Magenschleimhautzellen hemmen kann. Auch eine in China durchgeführte klinische Studie mit 189 Studienteilnehmern, die mit Helicobacter pylori infiziert waren, ergab deutliche Hinweise auf eine magenschleimhautschützende Wirkung.Ebenso erschweren die Cranberries das Ansiedeln von Karies verursachenden Keimen in der Mundhöhle. Nach einigen Hinweisen aus dem Labor, die zeigten, dass Cranberries die Anheftung der Bakterien im dentalen Biofilm verhindern können, untersuchte man die Wirkung einer Cranberry-haltigen Mundspülung, im Vergleich zu einer Placebospülung beim Menschen. Nach einer sechswöchigen Anwendungsdauer war die Konzentration kariesauslösender Keime in der Mundhöhle deutlich gesenkt worden.
Mit Vitalstoffen gegen den Entzündungsstress
Obst und Gemüse sind wichtige Lieferanten von Radikalfängern („Antioxidantien“), die dabei helfen „Brandherde“ zu löschen. „Five-a-day“ heißt die Empfehlung – mindestens 5 bis 7 Portionen Obst und Gemüse sollten am Tag verzehrt werden. Zu den wichtigsten Antioxidantien zählen z. B. Vitamin C, Vitamin E, die Carotinoide und die alpha-Liponsäure. Besonders effiziente Radikaljäger („Superantioxidantien“) sind Substanzen, die man ebenfalls z. B. in Zitrusfrüchten oder Beerenobst vorfindet, sogenannte oligomere Proanthocyanidine (=OPC) oder Polyphenole wie wir sie beispielsweise im grünen Tee, im Granatapfelextrakt oder auch im Traubenkernextrakt vorfinden. Diese Zellschutzstoffe machen nicht nur schädlichen freien Radikalen den Garaus, sondern wirken auchEntzündungen entgegen.
Neben Obst und Gemüse sollte eine „entzündungshemmende“ Kost auch durch einen regelmäßigen Fischverzehr charakterisiert sein. Vor allem Fischsorten wie z. B. Lachs, Makrele, Hering oder Thunfisch sind reich an antientzündlichen Omega-3-Fettsäuren. Diese speziellen Fettsäuren schützen zudem die Blutgefäße, normalisieren den Blutdruck und wirken Herzrhythmusstörungen entgegen.
Auch Enzyme (z. B. Bromelain) können dabei helfen die entzündungsbedingten Risiken zu mindern. Diese Biomoleküle beschleunigen den Ablauf der Entzündung, entlasten das Abwehrsystem und beugen einer Chronifizierung entzündlicher Prozesse vor.
Was Sie sonst noch tun können um die entzündungsbedingten „Schwelbrände“ zu vermeiden
- Jede Verletzung (z. B. beim Sport) und jede Entzündung sollte zur vollständigen Ausheilung kommen. Das senkt das Risiko für niedriggradige, chronische und unmerklich ablaufende Entzündungen. Denken Sie daran, dass Muskelzerrungen/-verletzungen im Durchschnitt etwa 3 Wochen zur Heilung benötigen, Gelenke sind bei Verletzungen dagegen erst nach ca. 3 Monaten wieder ausgeheilt.
- Achten Sie auf eine regelmäßige und ausreichende Zahnhygiene (Zahnseide benutzen) und den regelmäßigen Gang zum Zahnarzt, denn auch Zahnfleischbluten ist ein Hinweis auf entzündliche Prozesse in der Mundhöhle.
- Wer übergewichtig ist, tut gut daran, ein normales Gewicht anzustreben, denn die überschüssigen Pfunde produzieren entzündungsfördernde Stoffe und erhöhen das Risiko für niedriggradige Entzündungen.
- Ebenso werden die „Schwelbrände“ durch Stress und durch bestimmte Medikamente (z. B. Hormone) gefördert. Auch das Rauchen wirkt als „Brandzünder“ und erhöht das Entzündungsrisiko und damit auch die bereits beschriebenen entzündungsbedingten degenerativen Erkrankungen. Solche Lebensstilfaktoren sollte man möglichst vermeiden.
- Schließlich hilft eine regelmäßige moderate sportliche Aktivität (z. B. Nordic Walking, Wandern, Radfahren) dabei, Entzündungen zu bekämpfen und „Brandherde“ zu löschen.